Orientierungssatz
Das im Bundesmantelvertrag vereinbarte Überweisungsverbot greift in nicht zulässiger Weise in den vertragsärztlichen Status des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Laborarztes ein. Wegen der darin liegenden dauerhaften Strukturveränderung ist dem Laborarzt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu gestatten, nach Kap O Abschn I des einheitlichen Bewertungsmaßstabes Leistungen auf Überweisung durchzuführen und gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen. Die Begrenzung auf 2200 Untersuchungen pro Quartal soll verhindern, daß der rechtsschutzsuchende Laborarzt im Verhältnis zu anderen Ärzten für Laboratoriumsmedizin einseitig einen Wettbewerbsvorteil durch Überweisung außerhalb seines KV-Bezirks erlangt.
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Beschluss vom 06.05.1994; Aktenzeichen S-5/Ka-1071/94A) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Mai 1994 aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß der Antragsteller ab dem ersten Quartal 1995 bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Sozialgericht Frankfurt am Main in dem Verfahren S-5/Ka-2587/94 laborärztliche Leistungen des Abschnitts O I des EBM höchstens bis zu einem Umfang von 2.200 Behandlungsfällen pro Quartal auf Überweisung von hessischen Vertragsärzten erbringen und diese Leistungen bei der Antragsgegnerin abrechnen kann.
II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Erlaubnis, vertragsärztliche Laborleistungen nach Abschnitt O I des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM) auch zukünftig auf Überweisung erbringen und gegenüber der Beklagten abrechnen zu können.
Der Antragsteller ist Laborarzt. Er ist mit Sitz in D. als Vertragsarzt zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen. Als Laborarzt wird er ausschließlich auf Überweisung durch andere Ärzte tätig. Bis zum Ablauf des Quartals I/94 konnte der Antragsteller auch sog. Basisuntersuchungen nach Abschnitt O I des EBM auf Überweisung erbringen und gegenüber der Beklagten abrechnen.
Mit Wirkung zum 1. April 1994 erfolgte eine “Neustrukturierung” der Abschnitte O I und O II des EBM durch den Bewertungsausschuß nach § 87 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Danach sind die Leistungen des Abschnitts O I wie bisher einzeln abzurechnen, werden insgesamt aber je Einzel- oder Gemeinschaftspraxis nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl vergütet. Diese Gesamtpunktzahl ergibt sich durch Multiplikation der im Abschnitt O I festgesetzten arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl und der Zahl kurativ-ambulanter Fälle der Arztpraxis.
Mit der Punktzahlbegrenzung verbunden wurde der Ausschluß des vertragsärztlichen Überweisungsverfahrens durch die am 16. Februar 1994 verabschiedete “Übergangsvereinbarung” der Partner der Bundesmantelverträge. Ziff. 2 dieser Übergangsvereinbarung lautet wie folgt:
“Überweisungen zur Erbringung von Leistungen des in der Anlage neu gefaßten Abschnitts O I an andere Vertragsärzte sind unzulässig. Die Abrechnung dieser Leistungen erfolgt durch den behandelnden Vertragsarzt. Soweit Vertragsärzte zur Erbringung von Laborleistungen nach diesem Abschnitt Laboranalysen in Laborgemeinschaften, von Laborärzten oder anderen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten oder ärztlich geleiteten Einrichtungen erbringen lassen, ist der Kostenausgleich im Innenverhältnis durch den jeweiligen Vertragsarzt mit dem Erbringer dieser Analysen zu regeln.”
Die Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes und damit einhergehend des Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (BMÄ) und der Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO) wurde im Deutschen Ärzteblatt (DA), das nach § 12 der Satzung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung deren offizielles Bekanntmachungsorgan darstellt, Heft 11 vom 18. März 1994 S. A-767 ff. veröffentlicht. Die Veröffentlichung der “Übergangsvereinbarung” erfolgte in Heft 14 der DA vom 8. April 1994, S. A-988.
Nach dem Vortrag des Antragstellers führte dieser im Quartal IV/93 2.346 Untersuchungen aus dem Abschnitt O I auf Überweisung für Primär- und Ersatzkassenpatienten durch. Dies ergab ein Honorarvolumen von ca. 9.970,00 DM. Im Quartal I/94 erfolgten 2.916 Untersuchungen mit einem Honorarvolumen von 12.193,00 DM, Der prozentuale Anteil am Gesamthonorarvolumen des Antragstellers betrug nach dessen Vortrag im IV. Quartal 1993 1,5 % und im I. Quartal 1994 1,8 %.
Trotz des in der Übergangsvereinbarung enthaltenen “Überweisungsverbots” wurden an den Antragsteller im Quartal II/94 nach dessen Vortrag noch 1.354 Überweisungen von O I-Leistungen vorgenommen. Der Antragsteller errechnet daraus eine Honoraranforderung von ca. 4.000,00 DM, die jedoch nur teilweise zur Abrechnung gegenüber der Antragsgegnerin vorgelegt wurde. Die bescheidmäßige Abrechnung dieser Leistungen ist bisher noch nicht erfolgt. Die Antragsgegnerin ha...