Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Entschädigungsklage wegen überlanger Dauer eines gerichtlichen Verfahrens

 

Orientierungssatz

1. Nach § 198 Abs. 3 GVG erhält ein Verfahrensbeteiligter Entschädigung wegen überlanger Dauer eines gerichtlichen Verfahrens nur dann, wenn er diese bei dem mit der Sache befassten Gericht gerügt hat.

2. Die erhobene Leistungsklage setzt zu ihrer Zulässigkeit die Wahrung der Klagefrist voraus. Nach § 198 Abs. 5 S. 2 GVG muss die Klage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren hat, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Die Klagefrist wirkt als materiell-rechtliche Ausschlussfrist.

3. Zur Wahrung materieller Ausschlussfristen genügt es, wenn eine finanziell unbemittelte Partei noch innerhalb dieser Frist Prozesskostenhilfe beantragt und unverzüglich nach der von ihr nicht verzögerten Entscheidung über den PKH-Antrag Klage erhebt (BSG Urteil vom 7. 9. 2017, B 10 ÜG 1/17 R). Eine Frist von zwei Wochen ist hierzu ausreichend.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.12.2018; Aktenzeichen B 10 ÜG 5/18 BH)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 4.100,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Entschädigung für die Dauer eines Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Marburg mit den Aktenzeichen S 8 AS 14/13.

In dem Ausgangsverfahren, das zunächst unter dem Aktenzeichen S 5 AS 14/13 geführt wurde, wandte sich der Kläger mit einer Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 24. Januar 2013 gegen die Untätigkeit des Kreisjobcenters des Landkreises Marburg-Biedenkopf (in Folgenden: Kreisjobcenter) im Widerspruchsverfahren gegen die Bescheide vom 26. und 27. September 2012. Mit der Klageschrift stellte der anwaltlich vertretene Kläger auch einen Prozesskostenhilfeantrag. In seiner Klageerwiderung vom 4. April 2013 regte das Kreisjobcenter einen Erörterungstermin an. Die Anfrage des Sozialgerichts vom 8. April 2013, ob ein Erörterungstermin für sinnvoll erachtet werde, bejahte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 2. Mai 2013. Mit Schriftsatz vom 25. April 2016 äußerte sich das Kreisjobcenter inhaltlich zum Gegenstand der der Untätigkeitsklage zugrundeliegenden Widerspruchsverfahren. Auf den gerichtlichen Hinweis vom 20. Mai 2016 folgten weiteren Schriftsätze der Beteiligten. In dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 30. August 2016 erkannte das Kreisjobcenter seine Untätigkeit in Bezug auf die Bescheidung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26. September 2012 an. Der Kläger nahm dieses Teilanerkenntnis an und nahm die Klage im Übrigen zurück. Das Hauptsacheverfahren war damit insgesamt erledigt. Im Termin verkündete die Kammervorsitzende den Beschluss, dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.

Der Kläger hat mit dem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten im Ausgangsverfahren am 17. Juni 2016 Verzögerungsrüge erhoben.

Am 28. Februar 2017 hat der Kläger bei dem Hessischen Landessozialgericht zwei Anträge auf Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Entschädigungsklage gestellt: Der eine hat sich auf das Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren zum Klageverfahren S 8 AS 14/13 bezogen. Mit dem ihm am 28. März 2018 zugestellten Beschluss des Senats vom 19. März 2018 (L 6 SF 20/17 PKH) ist ihm diesbezüglich Prozesskostenhilfe zur Erhebung einer Entschädigungsklage bewilligt worden; die am 11. April 2018 erhobene Entschädigungsklage wird unter dem Aktenzeichen L 6 SF 20/17 EK AS geführt.

Der zweite Prozesskostenhilfeantrag wurde zunächst vom Landessozialgericht übersehen. Als der Kläger darauf mit Schriftsatz vom 11. April 2018 hingewiesen hatte, hat das Landessozialgericht dem Kläger mit Beschluss vom 30. April 2018 Prozesskostenhilfe zur Erhebung einer Entschädigungsklage bewilligt. Der Beschluss ist dem Kläger am 15. Mai 2018 zugestellt worden.

Am 15. Juni 2018 hat der Kläger Klage zum Landessozialgericht erhoben.

Zur Klagebegründung nimmt der Kläger Bezug auf seine Ausführungen im Parallelverfahren L 6 SF 20/17 EK AS und vertritt damit sinngemäß die Auffassung, dass er durch das jahrelange Unterlassen der Entscheidung über die Untätigkeitsklage in seinen Rechten verletzt worden sei.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn als Entschädigung wegen überlanger Dauer des Gerichtsverfahrens S 8 AS 14/13 (Sozialgericht Marburg) mindestens 4.100,00 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen,

hilfsweise,

ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Der Beklagte, der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 1. August 2018 nicht erschienen und auch nicht vertreten gewesen ist, beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte der Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Mar...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge