Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Versagung. Zulassung. röntgenologisch/nuklearmedizinische Abteilung. Krankenhaus. Verfassungsmäßigkeit des § 20 Ärzte-ZV. rechtliche Beurteilung. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
Leitsatz (amtlich)
1. § 20 Ärzte-ZV idF des Art 18 GRG vom 20.12.1988 mit Wirkung vom 1.1.1989 wie auch § 20 ZO-Ärzte idF vom 28.5.1957 finden in § 368c Abs 2 Nr 10 RVO idF des GKAR vom 17.8.1955 bzw in § 95, § 98 Abs 2 Nr 10 SGB 5 eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage (Art 80 GG). Die Ermächtigungsregelung zu § 20 Ärzte-ZV findet zudem im System des Kassenarztrechts eine ausreichende Ergänzung und Erhellung des Regelungsrahmens, auch, soweit auf das "Wesen" vertragsärztlicher Tätigkeit abgestellt wird. § 20 Ärzte-ZV ist mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar, auch, soweit der Vorschrift eine Wirkung beigemessen wird, die einer Berufszugangsregelung gleichsteht.
2. Mit dem Wesen der Tätigkeit eines Vertragsarztes ist eine ärztliche Tätigkeit am Vertragsarztsitz, die zu einer Interessenkollision führt, nicht zu vereinbaren; dabei zielt die Bestimmung in erster Reihe auf den Schutz des Patienten vor ärztlichen Pflichtenkollisionen ab, in zweiter Reihe aber auch auf die Vermeidung einer systemfremden, möglichen und im Ergebnis zu mißbilligenden Konkurrenzlage. Eine "normale" Konkurrenzlage, wie diese aus der weiteren Zulassung eines Vertragsarztes folgt, vermag mit § 20 Ärzte-ZV nicht erfaßt werden.
3. Die Zulassung kann, gestützt auf § 20 Abs 2 Ärzte-ZV, nur dann als mit dem Wesen vertragsärztlicher Tätigkeit nicht zu vereinbaren versagt werden, wenn das Mittel der Zulassungsversagung geeignet und insbesondere verhältnismäßig (Art 2 GG) ist und ein milderes Mittel, wie etwa die Honorarbegrenzungsregelung und Wirtschaftlichkeitsprüfung, nicht ausreicht.
4. Die Versagung der Zulassung zur vertragsärztlichen (ambulanten) Tätigkeit kann im Fall der Ausgliederung einer röntgenologisch/nuklearmedizinischen Abteilung aus einer Großklinik und Vergabe der Leistungen an eine mit den früheren Geräten der Klinik betriebenen Praxis, die dann sowohl für die Klinik stationäre Patienten als auch durch den die Zulassung begehrenden Arzt ambulant vertragsärztlich Versicherte untersucht und behandelt, gerechtfertigt sein, wenn die Gesamtumstände eine zu mißbilligende Konkurrenzlage ergeben. Zu solchen Gesamtumständen kann die vertragliche Einbindung des Arztes in die Klinik, die Größe der Praxis und deren Erscheinungsbild wie vornehmlich auch die wirtschaftliche Beteiligung des Arztes an einer Firma beitragen, die insbesondere im Zulassungsbezirk Geräte gewerblich zur Verfügung stellt.
Orientierungssatz
Die rechtliche Beurteilung einer zulässigerweise erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage richtet sich nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat (vgl zuletzt BSG vom 14.5.1992 - 6 RKa 41/91 = BSGE 70 285, 289).
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.04.1993; Aktenzeichen S-28/Ka-723/93) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 1993 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat dem Beklagten und den Beigeladenen zu 1) bis 7) die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zulassung des Klägers zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Der Kläger ist Arzt für Nuklearmedizin. Bis zum 31. Dezember 1992 war er als Chefarzt des Institutes für Nuklearmedizin der H.-Kliniken (H.), dem Klinikum von W. Diese Tätigkeit ist in einem Aufhebungsvertrag einverständlich beendet worden. Am 8. Mai 1992 beantragte der Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Nuklearmediziner unter Angabe einer Praxisausübung unter der Anschrift der H..
Der Kläger betreibt parallel mit Privatdozent Dr. D. (Vergleiche Parallelverfahren L-7/Ka-495/93) die Zulassung als Vertragsarzt mit dem Ziel, daß der Kläger und Privatdozent Dr. D. nach erfolgter Zulassung eine Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin beantragen werden und diese wiederum mit Herrn Prof. Dr. W. eine Praxisgemeinschaft betreiben. Eine Gemeinschaftspraxis bzw. Praxisgemeinschaft soll damit gemeinsam mit Privatdozent Dr. D., Dr. B. sowie Prof. Dr. W. ausgeübt werden. Grundlage des gemeinsamen Tätigwerdens ist ein Gesellschaftsvertrag über die Einrichtung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis vom 10. Juni 1992. Maßgeblich für das Rechtsverhältnis zu den H. ist ein Kooperationsvertrag, zuletzt mit dem angegebenen Datum des 2. Dezember 1992. Hierzu gesondert sind Verträge über die zur Verfügungstellung von Personal (die nach Erklärung des Beigeladenen zu 9) dem Landesarbeitsamt zur Kenntnis gebracht nicht beanstandet worden sind), ein Erbbaurechtsvertrag mit dem Ziel auf einem zur HSK nahegelegenen Grundstück ein neues Praxisgeb...