Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Voraussetzungen des außerordentlichen Kündigungsrechts. Beginn der Mitgliedschaft. Zeitpunkt der Beitragssatzerhöhung. Zulässigkeit. Feststellungsklage
Leitsatz (amtlich)
1. Die Voraussetzungen des außerordentlichen Kündigungsrechts liegen auch dann vor, wenn der Beginn der Mitgliedschaft mit dem Zeitpunkt der Beitragssatzerhöhung zusammenfällt.
2. Hierbei ist zwischen dem Beginn der Mitgliedschaft und der maßgeblichen rechtlichen Begründung der Mitgliedschaft zu differenzieren.
3. Ob eine Erhöhung des Beitragssatzes vorliegt, ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen und hängt nicht davon ab, ob sich der Beitrag des Mitglieds selbst während seiner Mitgliedschaft erhöht.
Orientierungssatz
Zur Zulässigkeit der Feststellungsklage bei einem Rechtsstreit über die Voraussetzungen für ein außerordentliches Kündigungsrecht.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. Juli 2006 in der berichtigten Fassung durch Beschluss vom 17. Oktober 2006 abgeändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2004 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Hälfte der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten ein Kündigungsrecht zum 31. Juli 2004 - statt zum 31. Dezember 2004 - hatte.
Die 1953 geborene Klägerin war ursprünglich pflichtversichertes Mitglied der Barmer Ersatzkasse. Am 3. Februar 2004 kündigte sie dort ihr Krankenversicherungsverhältnis und stellte am 3. Februar 2004 bei der damaligen Taunus Betriebskrankenkasse (BKK), einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, einen Aufnahmeantrag. Mit Schreiben vom 2. März 2004 übersandte die Taunus BKK der Klägerin eine Mitgliedsbescheinigung, beginnend ab dem 1. April 2004. Zum 1. April 2004 vereinigte sich die Taunus BKK und die BKK Braunschweig zur Beklagten. Seit dem 1. April 2004 beträgt der allgemeine Beitragssatz der Beklagten 13,8 v.H. Vor der Vereinigung hatte der allgemeine Beitragssatz der Taunus BKK bei 12,8 v.H. gelegen.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2004 kündigte die Klägerin unter Hinweis auf die Beitragserhöhung ab dem 1. April 2004 ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 31. Juli 2004 und bat um Ausstellung einer Kündigungsbestätigung. Die Beklagte wies mit Bescheid vom 17. Mai 2004 die Kündigung zurück. Der Kündigung könne nicht entsprochen werden, weil die erstmalige Beitragssatzfeststellung durch eine nach einer Fusion neu entstandene Krankenkasse keine Beitragssatzerhöhung darstelle und deshalb kein Sonderkündigungsrecht begründe. Den Widerspruch der Klägerin vom 25. Mai 2004 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2004 zurück.
Am 1. Juni 2004 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Gießen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel gestellt, die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Mit Beschluss vom 25. Juni 2004 - S 21 KR 170/04 ER - hat das Sozialgericht Gießen den Antrag im einstweiligen Anordnungsverfahren abgelehnt. Die Beschwerde der Antragstellerin vom 19. Juli 2004 hat das Hessische Landessozialgericht mit Beschluss vom 6. September 2004 - L 1 KR 184/04 ER -zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2004 hat die Klägerin am 17. Juni 2004 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben und zur Begründung darauf hingewiesen, dass die Beklagte selbst im Rahmen ihres Internetauftrittes von einer Beitragserhöhung spreche. Maßgeblich sei insoweit auch der Empfängerhorizont. Die Beklagte habe rechtsmissbräuchlich die Fusion genutzt, um die Beiträge zu erhöhen. Am 19. Juli 2004 hat die Klägerin bei der Beigeladenen beantragt, zum 1. August 2004 als Pflichtmitglied aufgenommen zu werden. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 2. Dezember 2004, B 12 KR 23/04 R hat die Beklagte der Klägerin unter dem 22. Dezember 2004 eine Kündigungsbestätigung zum 31. Dezember 2004 ausgestellt. Seit dem 1. Januar 2005 wird die Klägerin von der Beigeladenen als Mitglied geführt. Mit Erstattungsmitteilung vom 21. März 2005 hat die Beklagte der Klägerin die Beitragsdifferenz zu dem Beitragssatz der Beigeladenen für August 2004 bis Dezember 2004 in Höhe von 73,94 € erstattet und die Auffassung vertreten, dass der Klage der Klägerin nunmehr das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Mit Urteil vom 26. Juli 2006 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig sei. Der Klägerin stehe jedoch kein Sonderkündigungsrecht zum 31. Juli 2004 zu. Die Mitgliedschaft der Klägerin habe erst zum Zeitpunkt des Wirksamw...