Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenkassenwahlrecht. Sonderkündigungsrecht bei Beginn der Mitgliedschaft zum Zeitpunkt der Beitragssatzerhöhung
Leitsatz (amtlich)
Das Sonderkündigungsrecht des § 175 Abs 4 S 5 SGB 5 haben auch grundsätzlich diejenigen Personen, die im Zeitpunkt der Beitragssatzerhöhung Mitglied der betroffenen Krankenkasse werden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 13. Januar 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass der Kläger ein Kündigungsrecht zum 30. Juni 2004 hatte und sein Wahlrecht für die Beigeladene zum 1. Juli 2004 wirksam ausgeübt hat.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für den gesamten Rechtsstreit.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegenüber der Beklagten ein Kündigungsrecht zum 30. Juni 2004 - statt zum 31. Dezember 2004 - hatte.
Der 1973 geborene Kläger war auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung. Er war zunächst Mitglied der BKK Mobil Oil. Aus dieser Mitgliedschaft beantragte er im Februar 2004 die Mitgliedschaft bei der Beklagten ab 1. April 2004. Dies bestätigte die Beklagte ihm gegenüber mit Schreiben vom 9. Februar 2004 und übersandte eine Mitgliedsbescheinigung. In einem weiteren Schreiben vom gleichen Tag bestätigte die Beklagte die Mitgliedschaft auch gegenüber dem Arbeitgeber des Klägers und wies u. a. auf den Beitragssatz von 12,8 % hin.
Zum 1. April 2004 fusionierte die damalige Taunus BKK mit der BKK Braunschweig zur Beklagten. Der Beitragssatz betrug 13,8 % von diesem Zeitpunkt an. Mit Schreiben vom 20. April 2004 kündigte der Kläger die Mitgliedschaft gegenüber der Beklagten fristlos. Zur Begründung wies er darauf hin, dass ihm nach mehreren Telefonaten versichert worden sei, der Beitrag von 12,8 % werde auch noch für die Zukunft gelten. In seiner Gehaltsabrechnung habe er nun feststellen müssen, dass der Beitrag auf teure 13,8 % erhöht worden sei. Mit Bescheid vom 3. Mai 2004 bestätigte die Beklagte den Eingang des Kündigungsschreibens, lehnte die Kündigung zum 30. Juni 2004 aber ab, da durch die Fusion eine neue Krankenkasse entstanden und ein neuer Beitragssatz damit festgelegt worden sei. Daraus folge kein Sonderkündigungsrecht. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004 zurückwies. Mit Schreiben vom 8. Juni 2004 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen die Mitgliedschaft zum 1. Juli 2004. Den Eingang des Aufnahmeantrags bestätigte die Beigeladene mit Schreiben vom 14. Juni 2004 und wies den Kläger darauf hin, dass bei einer positiven Entscheidung des Sozialgerichts die Mitgliedschaft zum 1. Juli 2004 bei ihr durchgeführt werde.
Der Kläger hat am 16. Juni 2004 beim Sozialgericht Kiel Klage erhoben und ergänzend vorgetragen: Sein Versicherungsverhältnis sei durch seine Kündigung zum 30. Juni 2004 beendet worden. Insoweit greife nämlich das Sonderkündigungsrecht des § 175 Abs. 4 Satz 5 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V). Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. Dezember 2004 stehe fest, dass die Beendigung spätestens zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig sei. Die Beklagte habe ihm jedoch nur eine Kündigungsbestätigung zum 31. Dezember 2004 übersandt und wolle lediglich die Differenz der Beitragssätze für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2004 erstatten, nicht aber die Differenz des gesamten Zeitraumes. Dem Arbeitgeber wolle die Beklagte nicht einmal teilweise die Differenz erstatten. Der Hinweis in dem Urteil des BSG, dass die Mitgliedschaft bei der neu gewählten Krankenkasse immer nur zukunftsbezogen wirksam werde, beziehe sich einzig und allein darauf, dass eine rückwirkende Begründung der Mitgliedschaft bei einer gewählten Krankenkasse vor dem Zeitpunkt der Ausübung der Wahl nicht zulässig sei. Darum gehe es vorliegend aber nicht. Er habe die Wahl der neuen Krankenkasse bereits im Juni 2004 mit der Folge vorgenommen, dass diese zum 1. Juli 2004 wirksam geworden sei. Das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht durch die Erstattungsbereitschaft der Beklagten entfallen. Hierauf brauche er sich nicht verweisen zu lassen, zumal er die wirksame Wahl einer anderen Krankenkasse als Voraussetzung für die wirksame Beendigung der Mitgliedschaft bei der Beklagten gerade mit der vorliegenden Klage festgestellt wissen wolle und zumal sich die Beklagte beharrlich weigere, auch seinem Arbeitgeber die zu viel gezahlten Beiträge zu erstatten. Er sei zum 15. Februar 2005 zum Steuerberater berufen worden und habe daher die Möglichkeit, sich ab 1. Januar 2006 freiwillig zu versichern. Zu diesem Zeitpunkt wünsche er, in die Landwirtschaftliche Krankenkasse (LKK) zu wechseln. Deren Beitragssatz liege nämlich unter 11 %. Das setze jedoch voraus, dass er zuvor die mindestens 18-monatige Mitgliedschaft in einer anderen Krankenkasse erfüllt habe. Würde es bei der Kündigungs...