Leitsatz (amtlich)

1. Eine Bifokalbrille gehört nicht zu den Arbeitsgeräten, sondern zu den privaten Gebrauchsgegenständen.

2. Auf dem Weg zum Augenoptiker in der Mittagspause, um eine augenärztlich verordnete Bifokalbrille abzuholen, besteht kein Versicherungsschutz.

 

Orientierungssatz

Zum Begriff Arbeitsgerät iS von § 549 RVO.

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 15.12.1983; Aktenzeichen S-3/U - 154/82)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. Dezember 1983 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Folgen eines von der Klägerin erlittenen Unfalls auf dem Rückweg von einem Optiker zur Arbeitsstelle als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Ihren Angaben und denen ihres Arbeitgebers, der Nordhessischen … GmbH & Co. KG in … zufolge, war die Klägerin seit Mai 1980 in dem Geschäft … in … an der Käsetheke als Verkäuferin tätig. Am 11. Januar 1982 begab sie sich während der von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr andauernden Mittagspause zu einem Augenoptiker in der …, um die von dem Augenarzt Dr. E. … am 1. August 1981 verordnete Bifokalbrille abzuholen. Auf dem Rückweg stürzte sie in der O.K.straße infolge Glatteises und zog sich dem Durchgangsarztbericht des Dr. M. (Elisabeth-Krankenhaus …) vom 12. Januar 1982 zufolge eine zertrümmerte Oberarmkopffraktur rechts ohne Verschiebung zu. Nach dem ersten Rentengutachten der Dres. M. und F. vom 25. Mai 1982 bestanden am Tag der Untersuchung am 19. April 1982 als wesentliche Unfallfolgen ein ausgeheilter subkapitaler Oberarmbruch rechts mit deutlicher schmerzhafter Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk, Muskelschwäche des rechten Ober- und Unterarmes, verminderte grobe Kraft der rechten Hand bei Defektheilung und Verknöcherung der Gelenkkapsel und deutlicher Kalksalzminderung. Die Dres. M. und F. schätzten die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) deswegen für die Zeit nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung ab dem 1. März 1982 bis zum 19. Mai 1982 mit 20 v.H. ein und hielten danach eine Nachuntersuchung für erforderlich.

Mit Bescheid vom 27. April 1982 lehnte die Beklagte die Gewährung der gesetzlichen Unfallentschädigung ab, da die Klägerin keinen versicherten Arbeitsunfall erlitten habe. Weder habe sie sich auf einem versicherungsrechtlich geschützten Weg befunden, noch könne es sich bei dem Beschaffen einer gewöhnlichen Brille um das Besorgen eines Arbeitsgerätes im Sinne von § 549 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gehandelt haben. Der am 11. Mai 1982 eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Die Beklagte wies ihn mit dem Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 1982 zurück. Die am 30. Juli 1982 erhobene Klage hat das Sozialgericht Kassel (SG) aus den Gründen der angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 15. Dezember 1983 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die sozialgerichtliche Entscheidung verwiesen.

Gegen das ihr am 22. Dezember 1983 zugestellte Urteil hat die Klägerin bei dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) am 16. Januar 1984 Berufung eingelegt und zu deren Begründung hauptsächlich vorgebracht. Das SG habe den Begriff des Arbeitsgerätes verkannt. Wegen ihrer Kurz- und Weitsichtigkeit sei eine Bifokalbrille notwendig, wie sie von dem Augenarzt Dr. E. zu diesem Zweck auch verordnet worden sei. Sie habe an der Käsetheke Kunden zu bedienen und müsse dabei eine Aufschnittmaschine sowie eine Präzisionswaage benutzen. Die Bifokalbrille sei erforderlich, um einerseits Gewichte sowie Preise ablesen und andererseits die Kunden betrachten und ihre Wünsche erkennen zu können. Da sie für den privaten Gebrauch über jeweils eine Straßen- und eine Lesebrille verfüge, werde die Bifokalbrille hauptsächlich für die Arbeit benutzt. So habe es auch Dr. Elster ausschließlich verordnet. Daß diese Brille auch privat genutzt werden könne, sei im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung als Arbeitsbrille unbeachtlich.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kassel von 15. Dezember 1983 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. April 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 1982 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen des am 11. Januar 1982 erlittenen Oberarmkopfbruches rechts als Arbeitsunfall die gesetzliche Unfallentschädigung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, da sie in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die mangels Ausschließungsgründen statthafte Berufung ist frist- und sorgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ ...

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