Entscheidungsstichwort (Thema)

Familienheimfahrten. Feierabendausgestaltung im Umschulungszentrum

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ohne Rücksicht auf die Beweggründe stellt regelmäßig jede Fahrt eines internatsmäßig untergebrachten Umschülers von der Rena-Einrichtung zur Familienwohnung einen unfallversicherungsrechtlich geschützten Weg dar.

2. Hat sich aber der Versicherte nach Unterrichtsende wegen der Dauer und Art sowie eigenwirtschaftlichen Zwecken dienenden Verrichtungen – hier: über dreistündiges gemütliches Beisammensein mit erheblichem Alkoholkonsum – endgültig vom versicherten Unternehmen gelöst, so besteht auch dann kein Unfallversicherungsschutz, wenn sich der Unfall auf derselben Wegstrecke ereignet, die der Versicherte nach Hause auch sonst zurückzulegen hat.

 

Normenkette

RVO §§ 548, 550 Abs. 3

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.05.1982; Aktenzeichen S 4/U - 151/81)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Mai 1982 (S 4/U – 151/81) wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen der Folgen eines Verkehrsunfalles am 14. September 1978 die gesetzliche Unfallentschädigung zu gewähren.

Der im Jahre 1945 geborene Kläger zog sich in seinem erlernten Frisörberuf eine Hauterkrankung als Berufskrankheit (BK) zu. Die Beklagte gewährte ihm deswegen mit Bescheid vom 26. August 1977 als Maßnahme der Berufshilfe die Umschulung zum Nachrichtengerätemechaniker mit Vorförderung. Nach erfolgreicher Vorförderung wurde der Kläger, in dem Internat des Berufsförderungswerkes F. (BFW) in B. V. am 31. Januar 1978 aufgenommen. Der Unterricht erfolgte von montags bis donnerstags in der Zeit von 7.40 Uhr bis 15.20 Uhr. Nachdem die Beklagte erfahren hatte, daß der Kläger auf der Fahrt zu seiner Familie am 14. September 1978 gegen 23.00 Uhr mit dem Personenkraftwagen (Pkw) verunglückt sei, forderte sie das BFW auf, die Unfallanzeige zu erstatten. Das lehnte es zunächst unter dem 18. Dezember 1978 ab, da es sich nach seiner Auffassung nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe; die Arbeitszeit des Klägers habe bereits um 17.00 Uhr geendet, der Unfall sich aber erst gegen 23.00 Uhr ereignet. Die Beklagte zog die Akten des gegen den Kläger gerichteten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hanau … bei. In der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige und in dem Vermerk vom 15. September 1978 ist niedergelegt, daß der Kläger auf der K 872 aus Richtung N. kommend gegen 23.00 Uhr vor W. zunächst einen am rechten Fahrbahnrand stehenden Leitpfosten gestreift habe und auf die Fahrbahn zurückgeschleudert worden sei. Sodann habe er eine Stationskilometermarkierung überfahren. Anschließend sei er, sich mehrfach überschlagend, auf einen Acker geraten. Verkehrsteilnehmer, die sich um den verletzten Kläger kümmerten, hatten angegeben, daß dieser erklärt habe, er sei lediglich Beifahrer gewesen. Die Ehefrau des Klägers sagte am 15. September 1978 aus, daß ihr Ehemann am Unfalltag gegen 22.30 Uhr fernmündlich angekündigt habe, noch nach Hause zu kommen. Gewöhnlich fahre er allein; eine Fahrgemeinschaft habe nicht bestanden. Die nach dem Protokoll und Antrag zur Feststellung des Alkohols im Blut vom 14. September 1978, dem ärztlichen Untersuchungsbericht des St. V.-Krankenhauses H. vom 15. September 1978 und dem Gutachten des Prof. Dr. G. (Zentrum der Rechtsmedizin der Universität F.) vom 19. September 1978 am 15. September 1978 um 0.30 Uhr entnommene Blutprobe ergab für die Unfallzeit eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von etwa 2,0 ‰.

Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Trunkenheit am Steuer stellte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hanau am 30. März 1979 ein, da nicht sicher festgestellt werden könne, daß dieser den Pkw gelenkt habe; die Möglichkeit, daß er nur Beifahrer gewesen sei, könne nicht ausgeschlossen werden. Auf Verlangen der Beklagten erstattete das BFW unter dem 25. März 1980 die förmliche Unfallanzeige mit dem Hinweis, daß die Arbeitszeit am Unfalltag um 15.20 Uhr geendet habe und die Angaben im Wegeunfall-Fragebogen auf den nicht nachprüfbaren Aussagen des Klägers beruhten.

Mit Bescheid vom 19. Mai 1981 lehnte die Beklagte die Gewährung der Unfallentschädigung ab, da der Kläger zur Unfallzeit nicht gegen Arbeitsunfall versichert gewesen sei. Die gegen 22.40 Uhr angetretene Heimfahrt stehe in keinem ursächlichen Zusammenhang mehr mit der um 15.20 Uhr beendeten dienstlichen Tätigkeit. Es habe sich vielmehr um den Weg von einer privaten Angelegenheit nach Hause gehandelt.

Gegen diesen an ihn am 19. Mai 1981 abgesandten Bescheid hat der Kläger am 22. Juni 1981 Klage erhoben, die das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) aus den Gründen des angefochtenen Bescheides durch Urteil vom 26. Mai 1982 abgewiesen hat. Wegen der weiteren Einzelheiten...

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