Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1317. haftungsbegründende Kausalität. Wahrscheinlichkeit. enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Expositionsende und erstmaligem Auftreten einer Polyneuropathie. Maler

 

Orientierungssatz

1. Zur Nichtanerkennung einer bei einem Maler diagnostizierten Polyneuropathie als Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1317.

2. Die Feststellung einer Berufskrankheit im Sinne der Nr 1317 der Anl 1 zur BKV, einer durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische verursachten Polyneuropathie, setzt voraus, dass zwischen dem Expositionsende und dem erstmaligen Auftreten der Polyneuropathie ein engerer zeitlicher Zusammenhang besteht. Es gibt keine neueren medizinischen Erkenntnisse, dass zwischen dem Expositionsende und dem Auftreten einer Polyneuropathie eine längere Latenzzeit, zB über Monate oder gar Jahre, liegen kann.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 6. Mai 2002 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob die beim Kläger vorliegende Polyneuropathie als Berufskrankheit oder wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen ist.

Der im Jahr 1946 geborene Kläger übte seit April 1960 den Beruf des Malers und Anstreichers aus; seit 1971 arbeitete er nach Ablegung der Meisterprüfung als selbstständiger Malermeister im eigenen Betrieb. Nach den vom Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten getroffenen Feststellungen (Stellungnahme vom 20. Juni 1995) war der Kläger von 1960 bis 1964 durch Bleifarben, lösemittelhaltige Abbeizer und Holzschutzmittel hoch belastet. Seit 1971 war er danach der normalen Belastung eines Malers ausgesetzt gewesen.

Unter dem 12. Dezember 1994 erstattete der Nervenarzt Dr. D. eine Anzeige über eine Berufskrankheit. Beim Kläger liege eine Muskelschädigung, Polyneuropathie, schwere Leistungs- und Wesensänderung bei dringendem Verdacht auf Entstehung durch toxische Arbeitsstoffe, insbesondere Blei und Lösungsmittel, vor. Die Beklagte zog daraufhin einen Bericht des Kreiskrankenhauses Wetzlar vom 4. September 1995, wo sich der Kläger vom 29. Juli bis zum 7. August 1985 in stationärer Behandlung befand, bei. Dort wurde im Rahmen einer neurologischen Konsil-Untersuchung u. a. eine allenfalls diskrete initiale diabetische Polyneuropathie diagnostiziert. Der Nervenarzt Dr. E. führte als vom Sozialgericht Wiesbaden (Sozialgericht) im Rahmen eines Rentenstreitverfahrens beauftragter Sachverständiger aus, dass beim Kläger auf neuro-psychiatrischem Gebiet eine anhaltend somatoforme Schmerzstörung bei Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation sowie eine cervikale Wurzelirritation bestehe. In neurologischer Hinsicht hätten sich Hinweise auf ein Lendenwirbelsyndrom gefunden, das sich durch die vom Kläger geklagten Sensibilitätsstörungen, Schmerzen und Taubheitsgefühl sowie einer leichten Zehenheberschwäche manifestiere. Zu der von Dr. D. diagnostizierten Polyneuropathie bei dringendem Verdacht auf Entstehung durch toxische Arbeitsstoffe führte Dr. E. in seiner Stellungnahme vom 15. Juli 1994 aus, dass der dortige neurologische Befund im Wesentlichen mit den Befunden in den Akten übereinstimme und sich zwanglos durch die degenerativen Lendenwirbelsäulenveränderungen bei Zustand nach Bandscheibenoperation erklären lasse. Allerdings werde wegen der im Bericht von Dr. D. beschriebenen Befunde eine stärker neurologisch ausgerichtete Zusatzbegutachtung für sinnvoll erachtet.

Der daraufhin in demselben Rentenrechtsstreit vom Sozialgericht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Prof. Dr. F., Neurologisch-psychiatrische Klinik der Dr. Horst-Schmidt-Kliniken, Wiesbaden, stellte in dem Gutachten vom 20. Dezember 1994 fest, dass beim Kläger auf neurologischem Fachgebiet außer rezidivierenden Lumbalgien und einem beginnenden Sulcus Ulnaris-Syndrom beidseits, eine Polyneuropathie der Beine vom Mischtyp vorliege. Diese sei mit einer erheblichen Gangunsicherheit bei Dunkelheit und Trittunsicherheit gekennzeichnet. Bezüglich der Diagnosen des Dr. D. werde erheblich abgewichen. Hinweise für eine Muskelschädigung sowie für eine schwere Leistungs- und Wesensänderung hätten nicht gefunden werden können. Lediglich die von Dr. D. vorgeschriebene Polyneuropathie habe ebenfalls ermittelt werden können, die „eventuell“ toxisch bedingt sei.

Die Beklagte veranlasste ihrerseits eine Begutachtung durch Prof. Dr. G., Leiter des Instituts und der Polyklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen. Diesem gegenüber gab der Kläger an, sich seit seiner Bandscheibenoperation 1988 nur noch um Büroarbeiten zu kümmern. Im Gutachten vom 16. Januar 1997 gelangte Prof. Dr. G. zu dem Ergebnis, dass eine beruflich bedingte Polyneuropathie vorliege. Da diese noch nicht in der Berufskrankheitenliste aufgeführt sei, indes nach der Empfehlung des ärztlichen Sach...

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