Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung bei Disziplinarverfahren
Orientierungssatz
Ist die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß der Satzung einer kassenärztlichen Vereinigung dann ausgeschlossen, wenn seit dem Bekanntwerden der zu ahndenden Verfehlung zwei Jahre vergangen sind, kommt es für die Fristberechnung der Verjährung auf die Bekanntgabe und nicht auf die Gewißheit über das Vorliegen einer Verfehlung an.
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.01.1987) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 1987 sowie der Beschluß der Beklagten vom 27. Mai 1984 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme.
Der Kläger ist praktischer Arzt und seit 1978 in N. als Kassenarzt niedergelassen bzw. zugelassen. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1981 beantragte die Allgemeine Ortskrankenkasse H. bei der Bezirksstelle K. der Beklagten die Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 19 Abs. 1 Prüfungsvereinbarung i.V.m. § 368a Abs. 6 RVO wegen gröblicher Verletzungen der kassenärztlichen Pflichten durch den Kläger. Die Überprüfung des sonstigen Schadens sollte sich auf die Quartale IV/79 bis I/81 beschränken. In Ergänzung dazu stellte der Landesverband der Ortskrankenkassen in Hessen am 8. April 1982 bei der Beklagten, und zwar beim Zulassungsausschuß, den Antrag, dem Kläger die Kassenzulassung zu entziehen.
Mit Beschluß des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 3. August 1982 wurde der Antrag des LdO in Hessen abgelehnt. Der Zulassungsausschuß kam darin zu der Auffassung, daß die dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzungen nicht als so gewichtig zu bewerten seien, daß sie die Entziehung der Kassenzulassung rechtfertigen würden. Der Zulassungsausschuß kam zu dem Ergebnis, daß es sich im vorliegenden Fall um einen minderschweren Fall, der im Räumen eines bei der kassenärztlichen Vereinigung durchzuführenden Disziplinarverfahrens geahndet werden könne, handele. Dieser Bescheid des Zulassungsausschusses wurde bestandskräftig. Im übrigen führte die Überprüfung bzw. Feststellung eines sonstigen Schadens aufgrund des Antrags der AOK H. zur Festsetzung eines sonstigen Schadens in Höhe von DM 74.180,34, der durch den Prüfungsausschuß der Beklagten mit ebenfalls bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 17. Januar 1984 gegenüber dem Kläger geltend gemacht wurde.
In Ergänzung des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 3. August 1982 teilte die Bezirksstelle K. der Beklagten mit Schreiben vom 15. Oktober 1982 dem Kläger mit, daß der Geschäftsausschuß nach Abschluß der Angelegenheit die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nunmehr für nicht opportun halte, aber dem Kläger einen “strengen Verweis” wegen seines kassenärztlichen Fehlverhaltens ausspreche. Der Geschäftsausschuß stehe weiterhin auf dem Standpunkt, daß dies für den Kläger eine Warnung sein solle. Sollten nochmals kassenärztliche Verfehlungen in seiner Praxisführung vorkommen, sehe sich der Geschäftsausschuß verpflichtet, einen Antrag auf Entziehung der Kassenzulassung zu stellen.
Mit Schreiben vom 4. Januar 1984 beantragte die Beklagte beim Disziplinarausschuß gemäß § 21 der Satzung der Beklagten die Durchführung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger. Daraufhin wurde der Kläger durch den Disziplinarausschuß mit Schreiben vom 30. Januar 1984 zu einem Termin am 14. März 1984 geladen. Dieser Termin fand dann am 27. Juni 1984 vor dem Disziplinarausschuß statt. Mit Beschluß vom 27. Juni 1984 setzte der Disziplinarausschuß bei der Beklagten gegen den Kläger eine Geldbuße von DM 5000,- wegen Verletzung kassenärztlicher Pflichten fest und setzte gleichzeitig die Verwaltungsgebühr mit DM 500,- an. Unter Berufung auf die Satzung der Beklagten, insbesondere des § 21, erachtete der Disziplinarausschuß zunächst den “Verweis” der Bezirksstelle K. vom 15. Oktober 1982 nicht als Disziplinarmaßnahme im Sinne der Satzung der Beklagten. Im übrigen erachtete der Disziplinarausschuß die Beanstandungen, die die AOK H. in ihrem Antragsschreiben vom 29. Oktober 1981 vorgebracht hatte und die dann zur Festsetzung eines sonstigen Schadens in Höhe von DM 74.180,34 gegenüber dem Kläger führten, als zutreffend. Im einzelnen wurden dem Kläger die Abrechnung von Leistungen vorgeworfen, die wegen Krankenhausaufenthalts oder Tod des Patienten nicht durchgeführt werden konnten, ferner die Verursachung von Kosten zu Lasten der AOK H. trotz Vorlage von Krankenscheinen anderer Kostenträger sowie eine mangelhafte Praxisführung vorgeworfen, was auch u.a. durch Doppelverordnungen auffällig werde. Schließlich warf der Disziplinarausschuß dem Kläger Manipulation auch im Zusammenhang mit einer Massagepraxis vor, und zwar dergestalt, daß dieser Massagepraxis Rezeptf...