Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedürftigkeit. fremdes Vermögen. verdeckte Verwaltungstreuhand
Leitsatz (amtlich)
Wer – als verdeckter Treuhänder – den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeugt, muss sich hieran auch im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung durch Sozialleistungsträger festhalten lassen. Zwar wird der Treuhänder hierdurch gezwungen, das ihm zur Verfügung stehende Treugut für seinen Lebensunterhalt zu verwerten, weshalb er möglicherweise wirtschaftlich außerstande gesetzt wird, den Anspruch des Treugebers nach § 667 BGB zu befriedigen. Es entspricht jedoch der Rechtssystematik ebenso wie billiger Interessenabwägung, das wirtschaftliche Risiko der Durchsetzbarkeit des Herausgabeanspuchs nach § 667 BGB dem Treugeber aufzubürden, der das verdeckte Treuhandverhältnis ermöglicht und auch die Vorteile hieraus zieht.
Mithin kann bei dem zu berücksichtigenden verdeckten Treuhandvermögen kein Herausgabeanspruch des Treugebers gemäß § 667 BGB als mit ihm in Verbindung stehende Verbindlichkeiten i.S.d. Entscheidung des BSG vom 2. November 2000 (Az.: B 11 AL 35/00 R) in Abzug gebracht werden, weil es bei wertender Betrachtung an der wirtschaftlichen Einheitlichkeit zwischen dem zu berücksichtigenden Vermögen und den gegenüber dem Treuhänder bestehenden Verbindlichkeiten mangelt (vgl. zu § 88 BSHG, VGH Baden-Württemberg vom 25. September 1985, Az.: 6 S 1078/85).
Normenkette
AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 137 Abs. 2; AlhiVO § 6; BGB § 667
Verfahrensgang
SG Gießen (Urteil vom 10.02.2000; Aktenzeichen S 12 AL 939/99) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 10. Februar 2000 abgeändert und der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 18. Dezember 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1999 aufgehoben, soweit die Beklagte gegen den Kläger einen höheren Erstattungsbetrag als 32.481,69 DM festgesetzt hat.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger ein Neuntel seiner außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 29. August 1996 bis 24. September 1997 und eine hieraus resultierende Erstattungsforderung der Beklagten in Höhe von zuletzt 33.722,54 DM.
Der am 19. Januar 1938 geborene geschwister- und kinderlose Kläger war langjährig bis zum 31. Dezember 1993 als technischer Angestellter bei der Firma B. und D. GmbH (X. Konzern) beitragspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige Kündigung nach Kündigungsschutzklage gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 36.000,– DM.
Vom 1. Januar 1994 bis 28. August 1996 bezog der Kläger von der Beklagten Arbeitslosengeld.
In seinem am 13. August 1996 bei der Beklagten eingegangenen Antrag vom 8. August 1996 auf Arbeitslosenhilfe gab der Kläger als eigenes Vermögen lediglich Bargeld und Bankguthaben in Höhe von 70,– DM an. Ferner nannte er ein vom ihm selbst bewohntes Einfamilienhaus mit 70 qm Wohnfläche auf einem 450 qm großen Grundstück.
In einer Telefonnotiz vom 14. August 1996 heißt es ferner:
„Laut Herrn A. wurde die Abfindung zur Erneuerung der Fenster sowie zur Renovierung des Daches seines Eigenheimes verwendet”.
Mit Bescheid vom 21. August 1996 bewilligte die Beklagte ab 29. August 1996 Arbeitslosenhilfe unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C sowie eines wöchentlichen durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts in Höhe von 1.310,– DM nach dem allgemeinen Leistungssatz in Höhe von wöchentlich 452,40 DM, ohne dass es hierbei zur Anrechnung von Vermögen oder Einkommen kam.
Aufgrund eines Hinweises des Zentralamtes der Beklagten vom 10. Oktober 1997 auf zwei Freistellungsaufträge des Klägers aus dem Jahr 1996 wandte sich die Beklagte erstmals mit Schreiben vom 6. November 1997 unter Hinweis auf diese Tatsache an den Kläger und forderte ihn auf, unter Verwendung des „Zusatzblattes Bedürftigkeitsprüfung” seine Vermögensverhältnisse wahrheitsgemäß dazulegen und die Höhe der Geldanlagen jetzt und für die Vergangenheit ab Beginn der Arbeitslosenhilfezahlung zu belegen.
In der Zwischenzeit hatte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Januar 1997 die Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe ab 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 1997 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 444,60 DM bei unveränderten Berechnungsgrundlagen bewilligt. Danach hatte sich der Krankenversicherungsbeitrag zur Techniker Krankenkasse ab 1. Mai 1997 von ursprünglich 12,8% auf 13,6% erhöht.
In seinem Fortzahlungsantrag vom 14. November 1997 gab der Kläger an, ab 1. Februar 1998 Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zu beziehen und erklärte, gemeinsam mit seiner Ehefrau drei Freistellungsaufträge erteilt zu haben, ohne hierzu weitere Angaben zu machen. Erst nach nochmaliger Aufforderung durch die Beklagte mit Schreiben vom 12. Januar 1998 teilte der Kläger...