Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewaltopferentschädigung. vorsätzlich rechtswidriger Angriff. bedingter Vorsatz. Nachweis

 

Orientierungssatz

Kein Anspruch auf Entschädigung nach dem OEG, wenn ein - bedingt - vorsätzlicher Angriff gegen den Antragsteller iS des § 1 Abs 1 OEG nicht nachgewiesen ist (hier: widersprüchliche Zeugenaussagen zum Geschehensablauf).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.07.2002; Aktenzeichen B 9 VG 4/01 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig der Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Der ... 1963 geborene Kläger beantragte am 5. September 1995 bei dem Beklagten Leistungen nach dem OEG. Dabei gab er an, dass er am 4. März 1995 von G B (Schädiger) durch einen Pistolenschuss verletzt worden sei. Der Schädiger wurde durch Urteil des Amtsgerichts G vom 20. Juni 1996 wegen unerlaubten Erwerbes und unerlaubten Führens einer automatischen Selbstladewaffe, in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten auf Bewährung verurteilt.

Das Amtsgericht ging dabei von folgenden Feststellungen aus:

"Am 03.03.1995 hielt sich der Angeklagte zunächst am Nachmittag im Cafe S in G auf, wo er nach seinen Angaben 5 bis 6 Cola-Bier trank. Anschließend ging er nach Hause, holte sich besagte Pistole, steckte sie mit Munition in ein Holster unter sein Hemd und verließ am späteren Abend seine Wohnung und machte sich auf den Weg in eine Gaststätte. Nach 23.00 Uhr kam er in der Gaststätte "K" in der R Straße in G an. Er bestellte sich Getränke und kam mit verschiedenen Leuten ins Gespräch. Er trank einige Bier und Bacardi.

Gegen Ende seines Aufenthalts in der Gaststätte "K" hatte der Angeklagte einen Streit mit dem Freund der Wirtin, dem in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen und Nebenkläger A T. Ein Gast des Lokals, der in der Hauptverhandlung vernommene Zeuge O V, suchte die beiden zu trennen. Der Angeklagte schlug seitlich auf V ein, der zurückschlug und den Angeklagten u. a. im Gesicht traf, so dass dessen Nase blutete. T und V verbrachten den Angeklagten schließlich zum Ausgang der Gaststätte. V verblieb im Lokal, während T den Angeklagten die Treppe hoch zur Straße begleitete. Oben auf der Straße gab der Angeklagte wegen eines vermeintlichen oder wirklichen körperlichen Angriffs auf sich mit seiner Pistole, die er unter dem Hemd hervorzog und durchlud, zwei Schüsse ab, nach seiner Darstellung Warnschüsse, in die Luft. Der Zeuge V unten im Lokal hörte die Schüsse und lief nach draußen auf die Straße. Er sah dort den Angeklagten stehen mit der Pistole in der Hand, gerichtet auf den wenige Meter entfernt stehenden T. Ein weiterer vorheriger Gast des Lokals, der den Keller schon vor dem Angeklagten verlassen hat, ein Mann namens H, stand drei bis vier Pkw-Längen weiter entfernt bei einer Telefonzelle und brachte sich in Deckung. V eilte von rückwärts zum Angeklagten, stürzte sich auf ihn, riss ihn am Arm, um ihn zu Boden zu zerren. Der Angeklagte riss seinen Arm wieder los und feuerte mit der Pistole einen Schuss ab, der den Zeugen und Nebenkläger T an der Hüfte traf. Das Projektil trat in der Leiste des Zeugen ein und verließ als Durchschuss seine rechte Gesäßhälfte. V drückte nun den Arm des Angeklagten auf das Straßenpflaster und versuchte, ihm die Waffe zu entwinden, was ihm nicht gelang. Auch dem hinzukommenden H gelang es nicht, dem Angeklagten die Pistole abzunehmen. Erst ein Autofahrer, der sein Auto vor den auf der Straße liegenden Männern anhielt und ausstieg, half, dem Angeklagten die Pistole abzunehmen. Ein vierter Schuss ging los in die Luft, dann konnte dem Angeklagten die Pistole abgerungen werden."

Bei dem Kläger wurden nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) mit einem GdB von 40 und Zubilligung des Nachteilsausgleichs "G" als Behinderungen anerkannt (Bescheid vom 12. Februar 1999):

"Teillähmung und Gebrauchsminderung des rechten Beines nach Schussverletzung."

Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen und der Akten des Amtsgerichts G lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 7. April 1998 ab, da mangels des Nachweises einer vorsätzlichen Gewalttat kein Anspruch auf Versorgung gegeben sei.

Der Widerspruch des Klägers vom 5. Mai 1998 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 1998 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 6. August 1998 bei dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben und einen ärztlichen Bericht des Psychiaters Dr. F, G, (18. Februar 1999) vorgelegt. Das Sozialgericht hat die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht G beigezogen und mit Urteil vom 4. November 1999 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Der Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs sei nicht erbracht und ein solcher Angriff sei auch nicht glaubhaft gemacht worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei nach dem Tathergang eine bewusst fahrlässige Handlung des Verursachers B mindestens genauso wahrscheinlich wie die Annahme eines bedingt vorsätzlichen Han...

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