Entscheidungsstichwort (Thema)
soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Antragstellung. Leistungsumfang. Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Die Dienststellen der Bundeswehr sind auch für die Entgegennahme von Anträgen auf Versorgungsleistungen nach § 80 SVG zuständig (§ 88 Abs 5 S 2 Nr 2 SVG). Beschränkt ein ehemaliger Bundeswehrangehöriger seinen Antrag gegenüber der Bundeswehrverwaltung wegen einer Wehrdienstbeschädigung nicht ausdrücklich auf Ausgleichsleistungen nach § 85 Abs 1 SVG, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er alle Sozialleistungen beantragen will, die ihm aufgrund der Wehrdienstbeschädigung gegenüber den mit der Durchführung des SVG betrauten Rechtsträgern zustehen, gleich ob diese in eigener Sache oder im gesetzlichen Auftragsverhältnis (§ 88 Abs 1 S 2 SVG) tätig werden.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 20. September 2005 abgeändert und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2003 verurteilt, dem Kläger Versorgungsleistungen nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v. H. bereits ab Oktober 1994 zu gewähren.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Beginn von Versorgungsleistungen, die der Beklagten nach § 80 S. 1 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) erbringt.
Der 1941 geborene Kläger diente bei der Bundeswehr zunächst vom 3. Januar 1962 bis 31. Dezember 1963 als Soldat auf Zeit und dann vom 1. Februar 1966 bis 30. September 1994 als Berufssoldat.
Am 21. Juni 1990 beantragte er die Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung (WDB) auf dem Formblatt der Beigeladenen (WDB -Blatt) wegen einer Herzleistungsschwäche, die er auf eine 1971 währende des Wehrdienstes erlittene und nicht ausgeheilte Mandelentzündung zurückführte. Dem Kläger wurde kein, wie im Verfügungsvordruck vorgesehen, Hinweis auf Versorgung nach Entlassung mit WDB -Blatt 23 übersandt. Mit Bescheid vom 14. April 1992 lehnte die Beigeladene den Antrag des Klägers nach Einholung eines medizinischen Gutachtens ab und wies die dagegen eingelegte Beschwerde nach weiteren medizinischen Ermittlungen mit Beschwerdebescheid vom 23. Februar 1993 zurück. Dagegen erhob der Kläger vertretene durch Bevollmächtigte des Verbandes der Kriegs und Wehrdienstopfer, Behinderten und Sozialrentner Deutschlands e. V. (VdK) mit Schriftsatz vom 17. März 1993, der der Beigeladenen spätestens im April 1993 zugegangen ist, Klage beim Sozialgericht Marburg (Aktenzeichen: S -1a/VS -152/93) mit dem Antrag, "die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheids vom 14. April 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 1993 die Herzerkrankung des Klägers als mittelbare Schädigungsfolge auf im Dienst erlittene Mandelentzündung anzuerkennen und zu versorgen ". Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 11. September 1995 wies das Sozialgericht die Klage ab, wobei es sich nach sinngemäßer Auslegung des Klageantrages auf Ausgleichsansprüche nach § 85 SVG beschränkte, ohne das Land Hessen beigeladenen zu haben. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren beim Hessischen Landessozialgericht (HLSG Aktenzeichen: L 5/VS 105/96) erfolgte schließlich die Beiladung des Landes Hessen, dem der Beiladungsbeschluss am 3. Februar 2000 zugestellt wurde. Nach Einholung eines internistischen Gutachtens von dem Sachverständigen Dr. AV. hob das Landessozialgericht mit Urteil vom 20. Februar 2003 das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 11. September 1995 auf und verurteilte die Beigeladene (dort Beklagte), bei dem Kläger als Wehrdienstschädigungsfolge einen Herzklappenschaden festzustellen und ihm ab 1. Juli 1990 einen Ausgleich nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren. Mit Bescheid vom 20. Mai 2003 führte die Beigeladene das rechtskräftige Urteil des Hessischen Landessozialgerichts aus und gewährte dem Kläger Ausgleich für die Zeit vom 1. Juni 1990 bis 30. September 1994. Erst hierauf wies der Beklagte (seinerzeit Beigeladene) den Kläger mit Schreiben vom 6. Juni 2003 darauf hin, dass nach seiner Auffassung bislang kein Antrag auf Versorgung für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses vorgelegen habe, worauf der Kläger auf Formblatt des Beklagten am 17. Juni 2003 einen entsprechenden Antrag beim Beklagten stellte. Mit Bescheid vom 29. Juli 2003 bewilligte der Beklagte dem Kläger Beschädigtenversorgung nach einer MdE um 30 v.H. ab 1. Juni 2003. Den hiergegen mit dem Ziel der Versorgungsgewährung bereits ab 1. Oktober 1994 eingelegten Widerspruch wies der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2003 zurück.
Auf die hiergegen am 8. Oktober 2003 erhobene Klage hat das Sozialgericht Marburg mit Urteil vom 20. September 2005 den Beklagten verurteilt, die bewilligte Versorgung bereits ab 1. Februar 2000 zu gewähren, im Übrigen hat es die Klage...