Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Zulassung zur Gesprächspsychotherapie. Anwendung der Psychotherapierichtlinien. Systemversagen. Nichtberücksichtigung der Gesprächspsychotherapie als Kassenleistung durch G-BA ist rechtens
Orientierungssatz
Die Nichtaufnahme der Gesprächspsychotherapie in die Psychotherapie-Richtlinien (juris: PsychThRL) verstößt weder gegen Art 12 Abs 1 GG noch gegen sonstiges höherrangiges Recht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine Abrechnungsgenehmigung für die Gesprächspsychotherapie als weiteres Verfahren gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 Psychotherapie-Vereinbarung (vom 7. Dezember 1998 - DÄBl. 1998, Heft 51-52, S. A-3315 - kurz: PTV).
Die 1947 geborene Klägerin ist als approbierte psychologische Psychotherapeutin mit dem Behandlungsverfahren Verhaltenstherapie gemäß § 95 Abs. 10 SGB, Fünftes Buch (SGB V) bedarfsunabhängig zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zugelassen.
Am 18. September 2002 beantragte sie bei der Beklagten eine Abrechnungsgenehmigung für das Verfahren der Gesprächspsychotherapie als weiteres Verfahren und legte eine Urkunde der "Gesellschaft für Wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie e.V." (GWG) vom 29. Juni 1978 über ihre "Anerkennung als Gesprächspsychotherapeut in der GWG" vor.
Mit Bescheid vom 18. September 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die Gesprächspsychotherapie nach den Psychotherapie-Richtlinien des Beigeladenen vom 11. Dezember 1998 (BAnz. 1999 Nr. 6 S. 249) gemäß § 92 Abs. 6a SGB V kein anerkanntes Richtlinienverfahren und nach deren Anlage 1 sogar ausdrücklich ausgeschlossen sei.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2003 zurück.
Gegen den ihr am 4. Februar 2003 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 3. März 2003 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben mit der Begründung, die Psychotherapie-Richtlinien des Beigeladenen seien rechtswidrig, soweit dort die Gesprächspsychotherapie nicht als anerkanntes Behandlungsverfahren aufgeführt sei. Insoweit verstießen diese gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Aufgrund ihres Grundrechts auf freien Zugang zum und freie Ausübung des Berufs sei der Beigeladene verpflichtet gewesen, die Gesprächspsychotherapie als Richtlinienverfahren anzuerkennen. Die Nichtanerkennung beruhe auf einem Systemversagen des Verfahrens vor dem Beigeladenen. Hieraus erwachse ihr gegenüber der Beklagten ein Anspruch, die Gesprächspsychotherapie so zu behandeln, als sei sie vom Beigeladenen als Richtlinienverfahren anerkannt worden, mit der weiteren Folge, dass die beantragte Abrechnungsgenehmigung zu erteilen gewesen sei.
Mit Urteil vom 15. Oktober 2003 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Für das Begehren der Klägerin bestehe keine Anspruchsgrundlage. Die PTV beschränke die Anwendung der Psychotherapie auf anerkannte Richtlinienverfahren, zu denen die Gesprächspsychotherapie nicht gehöre. Auch nach dem seinerzeit geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM) seien Leistungen der Gesprächspsychotherapie nicht abrechenbar gewesen. Die Nichtaufnahme der Gesprächspsychotherapie in die Psychotherapie-Richtlinien verstoße weder gegen Artikel 12 Abs. 1 GG noch gegen sonstiges höherrangiges Recht, zumal im Falle der Klägerin nicht der Berufszugang sondern nur die Berufsausübung betroffen sei, denn an der Ausübung ihres Berufs als psychologische Psychotherapeutin mit anerkannten Richtlinienverfahren werde sie nicht gehindert.
Bei der Gesprächspsychotherapie handle sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V, weil entsprechende Leistungen bisher nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung seien. Neue Behandlungsmethoden dürften danach zu Lasten der Krankenkassen aber nur abgerechnet werden, wenn die Bundesausschüsse auf Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hätten über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkasse erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung -, über die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und ...