Orientierungssatz

Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Darmstadt vom 12.5.2021 - L 6 SF 22/18 EK SF, welches vollständig dokumentiert ist.

 

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Kassel unter dem Aktenzeichen S 5 SF 56/15 E geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 340,00 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Kassel unter dem Aktenzeichen S 5 SF 56/15 E geführten Erinnerungsverfahrens.

Der Kläger erhob am 15. Juli 2014 Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Kassel. Er beantragte Prozesskostenhilfe und gab im Rahmen dessen einen Bruttoverdienst von 1.000,00 Euro an. Dem Kläger wurde Prozesskostenhilfe gewährt. Das Verfahren endete am 9. Juli 2015 durch Vergleich. In dem Vergleich verpflichteten sich die dortigen beiden Beklagten je zur Übernahme der hälftigen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers (Bl. 47 S 11 AY 25/14).

Der Prozessbevollmächtigte beantragte mit Schreiben vom 24. Juli 2015, eingegangen beim Sozialgericht am 24. Juli 2015, die Kostenfestsetzung für das Verfahren in Höhe von 904,40 Euro. Nach Stellungnahme des Beklagten zu 2 setzte der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von den Beklagten zu tragenden Kosten am 13. August 2015 auf jeweils 175,53 Euro fest (Bl. 50 - 59 S 11 AY 25/14).

Die Kostenfestsetzungsbeschlüsse wurden dem Prozessbevollmächtigten am 14. August 2015 zugestellt (Bl. 61, 68 S 11 AY 25/14).

Der Prozessbevollmächtigte legte mit Schreiben vom 14. August 2015, eingegangen am 19. August 2015, Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung ein und begehrte eine höhere Festsetzung der Verfahrens- und Terminsgebühr. Der Urkundsbeamte half der Erinnerung nicht ab. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 5 SF 56/15 E geführt.

Nach Eingang wurde der Erinnerungsgegner mit Schreiben vom 27. August 2015 aufgefordert zur Stellungnahme, dieser erwiderte mit Schreiben vom 28. August 2015, eingegangen am 31. August 2018. Diesen Schreiben wurde dem Prozessbevollmächtigte am 13. Oktober 2018 übersandt, worauf dieser mit Schreiben vom 31. Dezember 2015, eingegangen am 4. Januar 2016, mitteilte, dass eine Stellungnahme als nicht erforderlich angesehen werde und anregte, ein Gutachten beim Vorstand der Rechtsanwaltskammer einzuholen. Dieses Schreiben wurde sodann zur Kenntnis an den Erinnerungsgegner weitergeleitet (Bl. 7 - 14 S 5 SF 56/15 E).

Die zuständige Richterin wies in Parallelverfahren des Klägers, nach dessen Erhebung von Verzögerungsrügen, auf eine Klagewelle, die zahlreichen anhängigen Verfahren einschließlich Eilverfahren sowie den Umzug des Gerichts hin und bat um Verständnis (Bl. 16 S 5 SF 74/15 E; Bl. 16 S 5 SF 55/15 E; Bl. 18 R S 5 SF 28/15 E).

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2018, eingegangen am 15. Oktober 2018, erhob der Prozessbevollmächtigte Verzögerungsrüge (Bl. 15 S 5 SF 56/15 E).

Der Kläger hat am 13. August 2019 Klage beim LSG eingereicht, die Klageschrift wurde dem Beklagten am 30. April 2021 zugestellt (Bl. 94 GA).

Der Beklagte hat in der Klageerwiderung anerkannt, dass das Ausgangsverfahren S 5 SF 56/15 E vor dem Sozialgericht unangemessen lange dauerte, des Weiteren wurde die Aussetzung des Verfahrens beantragt (Bl. 13 GA).

Nach Anhörung des Klägers wurde das hiesige Verfahren mit Beschluss vom 30. Dezember 2019 ausgesetzt und den Beteiligten zugestellt (Bl. 25 ff GA).

Das Sozialgericht Kassel hat mit Beschluss vom 8. April 2020 über die Erinnerung entschieden und die Kostenfestsetzung dahingehend abgeändert, dass der Erinnerungsgegner 229,08 Euro erstatten müsse (Bl. 48 ff GA).

Der Kläger ist der Ansicht, es sei nach § 198 Abs. 1 GVG eine Entschädigung bei einer unangemessenen Dauer von Gerichtsverfahren zu leisten. Mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2013 zu dem Az.: 5 C 23.12 D und den auch vorliegend allenfalls durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens dürfte hier nach deutlich mehr als 12 Monaten Untätigkeit des Gerichts der Anspruch des Klägers auf die geltend gemachte Entschädigung bestehen.

Soweit der Beklagte auf das Urteil des Hessischen LSG vom 1. August 2018 zu dem Az.: L 6 SF 2/18 EK SB verweise, werde nicht beachtet, dass im hier vorliegenden Ausgangsverfahren nicht um die Festsetzung geringfügiger Aufwendungen für Kopien gestritten werde. Streitig seien dort in der Sache selbst Gebühren in einer Höhe von 276,67 Euro gewesen.

Es habe auch mit Blick auf Art 19 Abs. 4 GG erhebliche Bedeutung für den Kläger, ob er aufgrund ggf. erheblicher und ggf. rechtswidriger Kürzungen bei Gebührenfestsetzungen keine(n) Bevollmächtigte(n) mehr finde, die/der bereit sei, ihn im Existenzsicherungsrecht zu vertreten.

Der Kläger hat zunächst beantragt, d...

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