Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Darmstadt vom 12.5.2021 - L 6 SF 22/18 EK SF, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
I. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Kassel unter dem Aktenzeichen S 5 SF 55/15 E geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 480 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Kassel unter dem Aktenzeichen S 5 SF 55/15 E geführten Erinnerungsverfahrens.
Der Kläger erhob am 29. Januar 2014 Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Kassel. Das Verfahren endete am 9. Juli 2015 durch Vergleich. In dem Vergleich verpflichteten sich die dortigen beiden Beklagten jeweils zur Übernahme der hälftigen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers (Bl. 168 S 11 AY 5/14).
Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe des Klägers wurde nicht beschieden. Im Antrag war ein Bruttoeinkommen von 1.000 Euro angegeben.
Der Prozessbevollmächtigte beantragte am 24. Juli 2015 die Kostenfestsetzung für das Verfahren in Höhe von 904,40 Euro (Bl. 173 f S 11 AY 5/14). Nach Stellungnahme des Beklagten zu 2 setzte der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von den Beklagten zu tragenden Kosten auf jeweils 175,53 Euro fest (Bl. 178, 182 S 11 AY 5/14).
Die Kostenfestsetzungsbeschlüsse wurden dem Prozessbevollmächtigten am 14. August 2015 zugestellt (Bl. 186 f S 11 AY 5/14).
Der Prozessbevollmächtigte legte mit Schreiben vom 14. August 2015, eingegangen am 19. August 2015, Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung bezüglich des Beklagten zu 1 ein und begehrte eine höhere Festsetzung der Verfahrens- und Terminsgebühr.
Der Urkundsbeamte half der Erinnerung nicht ab.
Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 5 SF 55/15 E geführt.
Nach Eingang wurde der Erinnerungsgegner zur Stellungnahme aufgefordert, dieser teilte am 31. August 2015 mit, dass die Kostenfestsetzung korrekt erfolgt sei. Dieses Schreiben wurde am 4. September 2015 dem Prozessbevollmächtigten übersandt, der mit Schreiben vom 31. Dezember 2015, eingegangen am 4. Januar 2016, mitteilte, dass eine Stellungnahme als nicht erforderlich angesehen werde, und anregte, ein Gutachten beim Vorstand der Rechtsanwaltskammer einzuholen. Dieses Schreiben wurde am 5. Januar 2016 zur Kenntnis an den Erinnerungsgegner weitergeleitet (Bl. 7- 13 S 5 SF 55/15 E).
Mit Schreiben vom 13. April 2018, eingegangen am 14. April 2018, erhob der Prozessbevollmächtigte Verzögerungsrüge (Bl. 14 S 5 SF 55/15 E).
Die Vorsitzende teilte mit Schreiben vom 17. April 2018 mit, dass eine Entscheidung aller Kostensachen für dieses Jahr geplant sei. Sie bitte wegen zahlreicher Hauptsachen und immer wieder ER-Verfahren um Verständnis (Bl. 16 S 5 SF 55/15 E). Auf der Rückseite des Schreibens ist handschriftlich vermerkt: „Derzeit keine Chance, Klagewelle, Umzug, und Sitzungen 30.11.18“.
Der Kläger hat am 7. November 2018 Klage beim Landessozialgericht eingereicht, die Klageschrift wurde dem Beklagten am 29. November 2018 zugestellt (Bl. 10 GA).
Der Beklagte hat in der Klageerwiderung anerkannt, dass das Ausgangsverfahren S 5 SF 55/15 E vor dem Sozialgericht unangemessen lange dauerte (Bl. 24 GA).
Das Sozialgericht Kassel hat mit Beschluss vom 8. April 2020 über die Erinnerung entschieden und die Kostenfestsetzung dahingehend abgeändert, dass der Erinnerungsgegner 229,08 Euro erstatten müsse (Bl. 38 ff GA).
Der Kläger ist der Ansicht, es sei nach § 198 Abs. 1 GVG eine Entschädigung bei einer unangemessenen Dauer von Gerichtsverfahren zu leisten. Mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2013 zu dem Az.: 5 C 23.12 D und den auch vorliegend allenfalls durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens dürfte hier nach deutlich mehr als 12 Monaten Untätigkeit des Gerichts der Anspruch des Klägers auf die geltend gemachte Entschädigung bestehen.
Soweit der Beklagte auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 1. August 2018 zu dem Az.: L 6 SF 2/18 EK SB verweise, werde nicht beachtet, dass im hier vorliegenden Ausgangsverfahren nicht um die Festsetzung geringfügiger Aufwendungen für Kopien gestritten werde. Streitig seien dort in der Sache selbst Gebühren in einer Höhe von 276,67 Euro gewesen. Es habe auch mit Blick auf Art 19 Abs. 4 GG erhebliche Bedeutung für den Kläger, ob er aufgrund ggf. erheblicher und ggf. rechtswidriger Kürzungen bei Gebührenfestsetzungen keine(n) Bevollmächtigte(n) mehr finde, die/der bereit ist, ihn im Existenzsicherungsrecht zu vertreten.
Der Kläger hat ursprünglich beantragt, den Beklagte zu verpflichten, ihm wegen unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Sozialgericht Kassel zu dem Az.: S 5 SF 55/15 E eine Entschädigung von monatlich 20,00 Euro zzgl. Zinsen begin...