Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.10.1994; Aktenzeichen S-11/V-2361/93) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Oktober 1994 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der am … 1933 geborene Kläger hat als ausländischer Staatsbürger seinen Wohnsitz in der Republik ….
Erstmals am 19. April 1988 beantragte er bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung und trug vor, am 2. August 1944 durch die Explosion einer Flugzeugbombe schwer an Kopf und Augen verletzt worden zu sein. Er sei auf beiden Augen erblindet. Infolge dieses Ereignisses sei er als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland anerkannt und erhalte dementsprechende Invalidenrente. Nach weiteren Ermittlungen erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 14. Januar 1991
„1. Verlust des rechten, Erblindung des linken Auges 2. Narben, Verkürzung und in erheblicher Fehlstellung verheilter Bruch des linken Unterschenkels mit nichtkompensierter Instabilität des linken Kniegelenkes”
als Schädigungsfolge an und gewährte Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. sowie Schwerstbeschädigtenzulage Stufe I und Pflegezulage Stufe III ab 1. März 1991. Zur Begründung führte der Beklagte unter anderem aus, daß die Leistung als sogenannte „Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 BVG bewilligt werde.
Diesen Bescheid nahm der Beklagte ohne vorherige Anhörung des Klägers mit Aufhebungsbescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung vom 1. Februar 1993 zurück und führte zur Begründung aus, daß der Bewilligungsbescheid rechtswidrig sei, da eine Doppelversorgung gemäß § 7 Abs. 2 BVG unzulässig sei. Der Kläger erhalte bereits Rente als ziviles Kriegsopfer von seinem Heimatstaat und habe deshalb keinen weiteren Anspruch nach dem BVG. Die Aufhebung sei im öffentlichen Interesse geboten. Zugunsten der Interessen des Klägers sei bereits berücksichtigt worden, daß der Grund für das Zustandekommen des rechtswidrigen Bescheides allein in der Verantwortung der deutschen Verwaltung liege. Im Rahmen der Ermessensprüfung sei die persönliche Lage des Klägers berücksichtigt worden. Die Höhe der Versorgung des Heimatstaates könne nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, da auf diese wirtschaftlichen Verhältnisse deutsche Verwaltungsentscheidungen keinen Einfluß hätten.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 11. Februar 1993 Widerspruch ein und trug vor, er sei davon ausgegangen, daß er diese Rente rechtmäßig erhalten habe. Er habe nichts verheimlicht oder verschwiegen und alle Unterlagen vorgelegt. Er könne nicht verstehen, wieso der seinerzeitige Rentenbescheid zurückgenommen werde. Durch Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1993 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Da den Kläger kein Verschulden an der Rechtswidrigkeit des Bescheides treffe, brauche er die gezahlten Leistungen nicht zurückzuerstatten. Für die Zukunft überwiege jedoch das öffentliche Interesse. Es sei bekannt, daß der Kläger schon in jungen Jahren schwer geschädigt worden sei und in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Dieser Umstand treffe bei Sozialleistungen vielfach zu und könne bei allem Verständnis nicht dazu führen, daß lebenslang fortgeführt werde, was nach dem Gesetz nicht hätte sein dürfen.
Am 27. September 1993 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und die Ansicht vertreten, daß die Entziehung der Versorgungsleistungen rechtswidrig sei und deshalb nicht hätte erfolgen dürfen. Er hat ergänzend vorgetragen, daß er total blind sei und umgerechnet von 30,00 DM Rente leben müßte, deshalb sei er dringend auf fremde Hilfe angewiesen.
Mit Urteil vom 28. Oktober 1994 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt, eine Aufhebung hätte nur unter den Voraussetzungen des § 45 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) erfolgen können. Entscheidend sei, daß der Beklagte von der ihm nach § 45 Abs. 1 SGB X obliegenden Pflicht zur Anwendung sachgerechten Ermessens keinen Gebrauch gemacht habe. Der Beklagte habe seine Entscheidung nicht auf den individuellen Einzelfall des Klägers abgestellt. Vielmehr weise die Formulierung darauf hin, daß der Beklagte bei seiner Entscheidung gerade nicht die individuellen Verhältnisse des vorl...