Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Darmstadt vom 14.12.1995 - L 5 V 1221/94, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.11.1994; Aktenzeichen S-11/V-2790/93) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 1994 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1935 geborene Kläger hat als ausländischer Staatsangehöriger seinen Wohnsitz in der Republik Kroatien. Erstmals am 4. November 1989 beantragte er bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung und trug vor, im März 1945 durch liegengebliebenes Kriegsmaterial verletzt worden zu sein. Er habe unter anderem die rechte Hand verloren. Er sei deshalb als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland anerkannt. Er legte einen entsprechenden Anerkennungsbescheid und Zahlungsbelege vor. Nach weiteren Ermittlungen erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 11. August 1992 die Amputation der rechten Hand und reizlose Narben auf den Wangen als Schädigungsfolgen an und gewährte Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. ab Oktober 1992. Zur Begründung führte er unter anderem aus, daß die Leistung als sogenannte “Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 BVG bewilligt wurde.
Diesen Bescheid nahm der Beklagte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Aufhebungsbescheid vom 2. März 1993 mit Wirkung ab 1. April 1993 zurück und führte zur Begründung aus, daß der Bewilligungsbescheid rechtswidrig sei, da eine Doppelversorgung gemäß § 7 Abs. 2 BVG unzulässig sei. Der Kläger erhalte bereits Rente als ziviles Kriegsopfer von seinem Heimatstaat und habe deshalb keinen weiteren Anspruch nach dem BVG. Die Beseitigung sei im öffentlichen Interesse geboten. Zugunsten der Interessen des Klägers sei berücksichtigt worden, daß der Grund für das Zustandekommen des rechtswidrigen Bescheides allein in der Verantwortung der deutschen Verwaltung liege. Im Rahmen der Ermessensprüfung sei die persönliche Lage des Klägers berücksichtigt worden. Die Höhe der Versorgung des Heimatstaates könne nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, da auf diese wirtschaftlichen Verhältnisse deutsche Verwaltungsentscheidungen keinen Einfluß hätten.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und trug vor, daß die Entziehung der Versorgungsleistungen rechtswidrig sei. Gerade in den letzten Jahren habe sich sein Gesundheitszustand wesentlich verschlechtert. Die ökonomische Lage in seinem Heimatstaat sei sehr schlecht. Durch Widerspruchsbescheid vom 17. August 1993 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Da den Kläger kein Verschulden an der Rechtswidrigkeit des Bescheides treffe, brauche er die gezahlten Leistungen nicht zurückzuerstatten. Für die Zukunft überwiege jedoch das öffentliche Interesse. Es sei bekannt, daß der Kläger schon in jungen Jahren schwer geschädigt worden sei und in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Diese Umstände würden bei den Sozialleistungen vielfach zutreffen und könnten bei allem Verständnis nicht dazu führen, daß lebenslang fortgesetzt werde, was nach dem Gesetz nicht hätte sein dürfen.
Am 2. November 1993 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und die Ansicht vertreten, daß die Entziehung von Versorgungsleistungen rechtswidrig sei und deshalb nicht hätte erfolgen dürfen.
Mit Urteil vom 25. November 1994 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt, eine Aufhebung hätte nur unter den Voraussetzungen des § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) erfolgen können. Entscheidend sei, daß der Beklagte von dem ihm nach § 45 Abs. 1 SGB X obliegenden Pflicht zur Ausübung sachgerechten Ermessens keinen Gebrauch gemacht habe. Der Beklagte habe in seiner Entscheidung nicht auf den individuellen Einzelfall des Klägers abgestellt. Vielmehr weise die Formulierung darauf hin, daß der Beklagte bei seiner Entscheidung gerade nicht die individuellen Verhältnisse des vorliegenden Falles im Auge gehabt habe, sondern nur solche Aspekte, die für sämtliche Fälle der Gewährung von Versorgungsleistung an zivile Kriegsopfer im ehemaligen Jugoslawien zutreffen würden. Das Fehlen jeglicher Einzelfallbezogenheit werde insbesondere dadurch deutlich, daß in einer Vielzahl von Fällen die gleiche Formulierung benutzt wurd...