Entscheidungsstichwort (Thema)

Werkzeug. Hilfsmittel. Beförderung. Weg zur Arbeitsstätte. Ausgangspunkt. Abweg. Zulässigkeit der Widerklage. Unzulässigkeit der Klage eines Beigeladenen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Schlüssel zum Werkzeugschrank am Arbeitsplatz kann ein Arbeitsgerät i.S. § 549 RVO sein.

 

Orientierungssatz

1. Nicht jeder Gegenstand ist, nur weil er zur Verrichtung einer betrieblichen Arbeit gebraucht werden kann, ein Arbeitsgerät iS des § 549 RVO. Wird er aber von einem Beschäftigten entsprechend den betrieblichen Erfordernissen zur Arbeit verwendet, so sind im allgemeinen die Begriffsmerkmale des Arbeitsgerätes gegeben.

2. Eine Beförderung von Arbeitsgeräten liegt dann vor, wenn die Zurücklegung des zu diesem Zwecke unternommenen Weges von der Absicht, die Sache nach einem anderen Ort zu schaffen, derart maßgebend beherrscht wird, daß demgegenüber über die Fortbewegung der eigenen Person als nebensächlich zurücktritt.

3. Wählt der Versicherte abweichend vom Regelfall für seinen Weg von und nach der Arbeitsstätte einen Ausgangs- oder Endpunkt, der sich mit seinem Wohnbereich nicht deckt, so schließt dies grundsätzlich nicht ohne weiteres den ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aus. Einem solchen Weg würde es allerdings an der betriebsbedingten Notwendigkeit fehlen, wenn er nach der Verkehrsanschauung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg des Versicherten von oder zum Ort der Tätigkeit stände.

4. Ein Beigeladener kann aus dem Wesen seiner prozessualen Position heraus keinen eigenen Klageanspruch erheben, da der Prozeß immer ein Prozeß der Hauptbeteiligten bleibt, selbst wenn es sich um eine notwendige Beiladung handelt (vgl BSG 1974-07-11 4 RJ 339/73 = SozR 1500 § 75 Nr 2). Dementsprechend kann auch ein beklagter Versicherungsträger nicht verurteilt werden, einem beigeladenen Versicherten Entschädigungsleistungen zu erbringen.

 

Normenkette

RVO §§ 549, 550 Abs. 1, §§ 1503-1504, 1509a; SGG §§ 75, 100

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.08.1979; Aktenzeichen S-3/U-112/78)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 1979 aufgehoben soweit die Beklagte verurteilt worden ist, dem Beigeladenen Unfallentschädigungsleistungen zu gewähren. Die Klage des Beigeladenen wird abgewiesen.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat dem Beigeladenen auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit gegenseitigen Ersatzforderungen streiten die Klägerin und die Beklagte darum, ob der Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Nach der förmlichen Unfallanzeige des Unternehmers, der Firma P. Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, Kraftwerk S. in G., vom 28. September 1976 war der im Jahre 1936 geborene Beigeladene als Schlosser bei dem Unternehmer, einem Mitglied der Beklagten, versicherungspflichtig beschäftigt. Am 20. September 1976 trat er gegen 6.15 Uhr mit einem Pkw den Weg zu seiner Arbeitsstelle an. Dabei stellte er fest, daß er einen Schlüsselbund mit Schlüsseln, die er zur Aufnahme seiner Arbeit in dem Betrieb seines Arbeitgebers benötigte, nicht bei sich hatte. Diese Schlüssel waren im Besitz seiner Verlobten. Der Beigeladene fuhr deshalb von seiner Wohnung aus nicht in die Richtung der Betriebsstätte, sondern in die entgegengesetzte Richtung, um die Wohnung seiner Verlobten aufzusuchen und sich von ihr das Schlüsselbund geben zu lassen. Er traf sie jedoch schon vorher an einer Bushaltestelle, parkte seinen Pkw am Straßenrand, überquerte die Straße und nahm die Schlüssel von seiner Verlobten in Empfang. Anschließend machte er sich auf den Weg zur Betriebsstätte, die er nunmehr auf dem direkten Weg erreichen wollte. Als er die Straße zu Fuß überquerte, um in seinen Pkw einzusteigen, wurde er von einem fremden Fahrzeug angefahren und erlitt dabei nach dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. S., Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Stadtkrankenhauses H. vom 20. September 1976 eine Commotio cerebral mit Monokelhämatom, eine kleine Kopfplatzwunde sowie ein leichtes stumpfes Bauchtrauma.

Die Klägerin bezahlte die Krankenhauskosten für die Zeit vom 20. September bis zum 2. Oktober 1976, Transportkosten am 20. September 1976 und Übergangsgeld für die Zeit vom 1. November bis zum 10. November 1976. Nachdem sie den Unfall des Beigeladenen bereits am 28. Oktober 1976 bei der Beklagten angemeldet hatte, verlangte sie von der Beklagten die Erstattung dieser Kosten. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, daß der Beigeladene keinen Arbeitsunfall erlitten habe, und machte für die von ihr erbrachten Behandlungs-Röntgen- und Medikamentenkosten sowie für das von ihr gezahlte Krankengeld ihrerseits den Ersatzanspruch gemäß § 1509 a Reichsversicherungsordnung (RVO) geltend.

Am 7. April 1978 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Frank...

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