Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Unfallkausalität. konkurrierende Ursache. Alkoholkonsum und Alkoholabhängigkeit des Arbeitnehmers. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
1. Der Versicherungsschutz auf dem Weg von der Arbeit zum Wohnort entfällt, wenn allein wesentlich für das Unfallereignis die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Versicherten ist.
2. Die gesetzliche Unfallversicherung löst auch bei der Verletzung der Fürsorgepflicht des Unternehmers gegenüber den Beschäftigten die zivilrechtliche Haftung ab (vgl BSG vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R = BSGE 87, 224 = SozR 3-2200 § 548 Nr 41).
3. Sofern sich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag und nicht aus anderen Umständen ergibt, erstreckt sie sich nur auf Gefahren und Umstände, die ihren Ursprung in der betrieblichen Sphäre haben. Auch eine Verletzung der Fürsorgepflicht aus Ingerenz ist denkbar, wenn der Arbeitgeber entweder selbst Alkohol zur Verfügung stellt oder Alkoholkonsum am Arbeitsplatz duldet und generell keine Schutzvorkehrungen gegen das anschließende Benutzen von PKW im verkehrsuntüchtigen Zustand trifft.
4. Bei einer eigenverantwortlichen Schädigung des Versicherten durch Alkoholkonsum stellt sich ein Unterlassen des Arbeitgebers aber als eine untergeordnete nicht wesentliche Mitverursachung zumindest in Fällen des bloßen Alkoholmissbrauchs dar. Bei erkennbarer Alkoholabhängigkeit kann dies anders zu werten sein.
Orientierungssatz
Wenn bei Ausübung einer Verrichtung, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ein Unfallereignis eintritt, muss vom Vorliegen der Unfallkausalität ausgegangen werden, es sei denn, es ist eine konkurrierende Ursache, wie zB eine innere Ursache, eine eingebrachte Gefahr oder der unversicherte Teil bei einer gemischten Tätigkeit feststellbar. Erst wenn eine solche konkurrierende Ursache neben der versicherten Ursache als naturwissenschaftliche Bedingung für das Unfallereignis festgestellt wurde, ist in einem zweiten Prüfungsschritt wertend zu entscheiden, ob die versicherte Ursache wesentlich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2, § 7 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten als Ehefrau bzw. Kinder von Herrn R. (R.) um die Bewilligung einer Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wobei insbesondere streitig ist, ob der Tod des Ehemannes bzw. des Vaters der Kläger durch einen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Wegeunfall verursacht wurde. Die ursprünglich getrennten Verfahren wurden durch Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 10. Dezember 2008 zur einheitlichen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
Der 1977 geborene Ehemann bzw. Vater der Kläger erlitt am 21. September 2007 auf der Fahrt von seinem Arbeitsplatz beim Mitgliedsunternehmen der Beklagten Firma T. Eisengießerei GmbH und Co KG in C-Stadt zu seinem Wohnsitz in A-Stadt einen tödlichen Verkehrsunfall, als er zwischen den Orten S. und H. auf der Landstrasse L 3073 bei km 1,8 mit seinem Kfz von der Straße abkam und aus dem Fahrzeug in den Straßengraben geschleudert wurde. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die reguläre Fahrtzeit zwischen dem Werksgelände und der Unfallstelle ca. 20 Minuten beträgt. Fest steht ferner, dass R. während der Fahrt nicht angeschnallt war und noch an der Unfallstelle verstarb. Nach den Ermittlungen der Beklagten hatte er nach Ende der Spätschicht um 22.00 Uhr das Betriebsgelände verlassen, wobei er sich gegen 22.02 Uhr mit seiner Zeiterfassungskarte abgemeldet hatte. Eine Polizeistreife passierte gegen 23:30 Uhr die (spätere) Unfallstelle; die Polizeibeamten gaben an, dort nichts Verdächtiges gesehen zu haben. Der Unfall wurde gegen 23:35 Uhr entdeckt. Die Polizeidienststelle C-Stadt veranlasste eine Blutentnahme bei der Leiche, die ausweislich des seitens der Beklagten beigezogenen Blutalkoholgutachtens nach einer am 22. September 2007 um 0.40 Uhr entnommenen Blutprobe unter Durchführung des ADH und GC-Verfahrens eine Alkoholkonzentration von 2,22 ‰ ergab. Am Unfallfahrzeug des verstorbenen Ehemannes bzw. Vaters des Klägers waren keine technischen Mängel feststellbar. Laut Angaben der Polizei waren die Straßenverhältnisse zum Zeitpunkt des Unfalls trocken.
Durch Bescheide vom 5. Dezember 2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit der wesentlichen Begründung ab, dass sich R. zwar auf einem versicherten Weg im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB VII befunden habe, dass jedoch absolute Fahruntüchtigkeit vorgelegen habe, die nach dem Beweis des ersten Anscheins die allein wesentliche...