Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Schülerunfall. Klassenfahrt. organisatorischer Verantwortungsbereich der Schule. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Fertigmachen im Jugendherbergszimmer. Holen eines Rucksacks. Hinsetzen auf ein Bett zwecks Erholung von einem Krampfanfall. höchstpersönliche Verrichtung der Gesundheitsfürsorge. anschließender Sturz. Epilepsieerkrankung
Orientierungssatz
Das Hinsetzen einer Schülerin auf ein Bett im Jugendherbergszimmer während einer mehrtägigen schulischen Veranstaltung (hier: mehrtägige Fahrradtour), um sich von einem Krampfanfall zu erholen, ist eine höchstpersönliche Verrichtung der Gesundheitsfürsorge, die nicht gem § 8 Abs 1 S 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 4. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 2. Juni 2015 als Arbeits- bzw. Schulunfall.
Die 1998 geborene Klägerin leidet an einem Moya-Moya-Syndrom mit Z. n. mehreren Hirninfarkten und cerebraler Bypass-OP und mit spastischer rechtsbetonter Tetraparese sowie strukturell-fokaler Epilepsie. Zum Zeitpunkt des Unfalls war sie Schülerin der D-Schule D-Stadt (Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung) und befand sich auf einer von der Schule organisierten mehrtägigen Radtour.
Am Morgen des 2. Juni 2015 kam es gegen 08:30 Uhr in der Unterkunft in E-Stadt im Zimmer der Klägerin zu dem streitgegenständlichen Ereignis, das die bei dem Landkreis Fulda angestellte, die Klägerin begleitende persönliche Teilhabeassistentin, die Zeugin F., in der Unfallanzeige vom 8. Juni 2015 wie folgt schilderte:
„Wir wollten zum Frühstück gehen. A. wollte ihren Rucksack holen (wg. Wasser & Medikamenten). Dabei blieb sie leicht mit dem Fuß am Koffer hängen und erschreckte sich etwas (verkrampfte leicht, war schnell wieder bei sich). Ich setzte sie auf ihr Bett. Ich drehte mich kurz weg, um den Rucksack zu schließen. Aus mir unerfindlichen Gründen rutschte sie vom Bett. Vermutlich ist sie nach vorne oder an der Wand entlang gefallen. A. selbst konnte sich nicht daran erinnern, ob ihr kurz vorm Sturz schwindelig war. Das nächste, was ich sehen konnte, war, wie A. am Boden lag.“
Die Klägerin zog sich hierbei eine Luxation der Zähne 21 und 22 mit Fraktur des Zahnes 22 zu; außerdem wurde das linke Glas ihrer Brille zerkratzt.
Der Direktor der Schule teilte der Beklagten mit Schreiben vom 4. September 2015 nach Rücksprache mit der Zeugin F. mit, die Klägerin habe an diesem Tag das Zimmer verlassen, um sich im Bad fertig zu machen. Weiterhin habe sie im Wohnbereich der Unterkunft gesessen und sich mit ihren Mitschülern und dem Personal unterhalten. Sie habe sich dann auf ihr Zimmer begeben, um ihren Rucksack zu holen. Dabei habe sich der Unfall ereignet.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2015 lehnte die Beklagte eine „Gewährung von Entschädigungsleistungen“ ab, da es sich bei dem Ereignis vom 2. Juni 2015 nicht um einen Versicherungsfall gehandelt habe. Aufgrund einer plötzlichen Kreislaufdysregulation und damit aus einer inneren Ursache sei es zu einem Abrutschen vom Bett mit anschließendem Sturz auf das Gesicht gekommen. Eine äußere Gewalteinwirkung habe nicht vorgelegen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2016 zurück und führte aus, es lasse sich jedenfalls nicht mit der für die haftungsbegründende Kausalität erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die zur Zeit des Unfalls konkret verrichtete Tätigkeit, das bloße abwartende Sitzen auf dem Bett, ohne Hinzutreten eines weiteren betriebsbezogenen Umstandes wesentlich ursächlich oder mitursächlich für den Sturz auf das Gesicht gewesen sei. Das vorherige Sitzen auf dem Bett sei zudem aufgrund eines zuvor bereits offensichtlich erlittenen Krampfanfalls und nicht wegen betrieblicher Umstände erfolgt.
Hiergegen hat die durch ihre Mutter als Betreuerin vertretene Klägerin am 29. Februar 2016 Klage bei dem Sozialgericht Fulda (Sozialgericht) erhoben.
Das Sozialgericht hat Patientenunterlagen der Klägerin der Schön Klinik Vogtareuth und des Klinikums Fulda sowie des behandelnden Hausarztes Dr. G. beigezogen. Anschließend hat das Sozialgericht ein fachneurologisches Sachverständigengutachten des Dr. H. vom 30. Dezember 2016 mit ergänzender Stellungnahme vom 17. April 2017 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, ob es sich um einen Sturz aus innerer Ursache oder um ein epileptisches Anfallereignis gehandelt habe, lasse sich aufgrund der schlechten Unfalldokumentation gutachterlich weder in die eine noch in die andere Richtung eindeutig positiv belegen. Da der genaue Unfallablauf nicht beobachtet worden sei, sei spekulativ, welche Faktoren genau zum Sturz beigetragen hätten. Da die Klägeri...