Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung einer Kindererziehungszeit bei Auslandswohnsitz des Erziehenden
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer Zeit der Kindererziehung ist nach § 56 Abs. 3 SGB 6 grundsätzlich erforderlich, dass sich der erziehende Elternteil mit dem Kind in der Bundesrepublik aufhält.
2. Eine Gleichstellung nach § 56 Abs. 3 S. 2 SGB 6 ist u. a. dann ausgeschlossen, wenn die Wahl des Wohnorts im Ausland nicht durch die berufliche Tätigkeit veranlasst ist.
3. Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 19. Juli 2012 - C-522/10 - ist es nicht gerechtfertigt, wegen einer europarechtlichen Überformung des nationalen Rechts über den eindeutigen Wortlaut des § 56 SGB 6 hinauszugehen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 19. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für Zeiträume, während derer die Klägerin und der Beigeladene mit ihren gemeinsamen Kindern in den Niederlanden wohnten und die Kinder dort erzogen.
Die 1954 geborene Klägerin spanischer Staatsangehörigkeit ist seit 19. Februar 1983 mit dem Beigeladenen verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor (D., geboren 1983 in H-Stadt [Brsg.], E., geboren 1985 in H-Stadt [Brsg.], F., geboren 1987 in J-Stadt, und G., geboren 1989 in J-Stadt). Die Klägerin, der Beigeladene und die beiden erstgeborenen Kinder wohnten zunächst in Deutschland. (Spätestens) ab 1. Juli 1985 bis 1. Juli 1994 (Bl. 49 ff. der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten - im Folgenden: VA ) hatte die Familie ihren Wohnsitz in den Niederlanden (wobei die Beteiligten übereinstimmend von einer Unterbrechung des Auslandsaufenthalts für die Zeit vom 16. Mai 1989 bis zum 25. Mai 1990 ausgehen, während derer die Klägerin und die anderen Familienmitglieder wegen der Pflege eines Familienangehörigen in Deutschland gemeldet waren [vgl. Bl. 103 der Gerichtsakte - GA ]). Der beigeladene Ehemann der Klägerin arbeitete während der Zeit, in der die Familie ihren Wohnsitz in den Niederlanden hatte, als Grenzgänger an einem Klinikum in J-Stadt; die Kinder gingen dort zur Schule. Ab Juli 1994 nahmen die Klägerin und die übrigen Familienmitglieder ihren Wohnsitz wieder in der Bundesrepublik Deutschland.
Der Versicherungsverlauf der Klägerin weist vor der ersten Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung (im April 1983) keine inländischen Beitragszeiten, sei es wegen Beschäftigung, sei es aus anderen Gründen, auf: Nach ihren Angaben bei der Antragstellung sei sie vor der Geburt ihrer Kinder vom 1. September 1981 bis 31. Dezember 1981 bei K. H-Stadt als Sprachlehrerin selbständig tätig und vom 1. Januar 1982 bis 31. Dezember 1982 beim Bildungszentrum H-Stadt beschäftigt gewesen, und zwar im Rahmen einer Teilzeittätigkeit von acht Stunden pro Woche, die mit 500 DM monatlich entlohnt worden sei (vgl. Bl. 6R VA). In der Zeit, in der sie mit ihrer Familie in den Niederlanden wohnte, ging sie weder dort noch in Deutschland einer Beschäftigung nach. Nach ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland übte sie ab 1. April 1999 eine geringfügige versicherungspflichtige Tätigkeit aus. Schließlich sind ab Mai 2004 in ihrem Versicherungskonto Pflichtbeitragszeiten wegen einer Beschäftigung gespeichert.
Im Rahmen eines am 13. September 2006 bei der Beklagten eingegangenen Antrags auf Kontenklärung beantragte die Klägerin, Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen der Erziehung ihrer vier Kinder zu ihren Gunsten festzustellen. Sie habe die Kinder gemeinsam mit dem Beigeladenen, der für jedes Kind eine dies bestätigende Erklärung abgab (VA Bl. 6 ff.), erzogen. Ergänzend teilte der Beigeladene in einem Schreiben vom 27. Januar 2006 (VA Bl. 28) für die Klägerin u.a. mit, sie, die Kinder und er hätten von Juli 1985 bis Juni 1994 in L./Niederlanden gelebt. Die Klägerin habe sich um die Kindererziehung gekümmert. Er habe als sogenannter Grenzgänger in J-Stadt am Klinikum gearbeitet.
Mit dem angegriffenen Bescheid vom 4. September 2007 stellte die Beklagte auf der Grundlage von § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - rentenrechtliche Zeiten der Klägerin verbindlich fest. Der Bescheid enthielt unter anderem folgende Regelungen: Wegen F. merkte die Beklagte die Zeit vom 1. Juli 1994 bis 14. September 1997 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vor. Die Feststellung einer Kindererziehungszeit und einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung im Zeitraum vom 15. September 1987 bis 30. Juni 1994 lehnte sie im Hinblick darauf, dass die Erziehung im Ausland erfolgt sei, ab. Wegen der Erziehung von G. stellte sie die Zeit vom 1. Juli 1994 bis 7. November 1...