Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer erhobenen Untätigkeitsklage mit Erlass des begehrten Widerspruchsbescheides durch Wegfall des Rechtschutzinteresses
Orientierungssatz
1. Nach § 88 Abs. 2 SGG kann eine Untätigkeitsklage erst nach Ablauf einer dreimonatigen Sperrfrist nach Einlegung des Widerspruchs erhoben werden. Für die Fortführung einer zunächst zulässigen Untätigkeitsklage besteht mit Erlass des Widerspruchsbescheides kein Rechtschutzinteresse. Diese hat mit Erlass des Widerspruchsbescheides ihre Erledigung gefunden.
2. Ein zureichender Grund für die rechtzeitige Bescheidung des Widerspruchs kann u. a. dann vorliegen, wenn der Kläger die Behörde mit einer Vielzahl von Widersprüchen, Anträgen auf einstweiligen Rechtschutz und Klageverfahren überzieht.
Normenkette
SGG § 88 Abs. 2, § 33 S. 1, § 110 Abs. 1 S. 2, § 153 Abs. 5
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme (Reha-Maßnahme) streitig.
Der Kläger, geb. 1947, ist bei der Beklagten krankenversichert und leidet u.a. an Psoriasis vulgaris. Er bezieht seit 2012 eine Altersrente.
Die Beklagte gewährte dem Kläger medizinische Reha-Leistungen in den Jahren 2005, 2008, 2010, 2012 und zuletzt 2014.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 7. Februar 2016 die erneute Gewährung einer stationären Reha-Maßnahme. In der Vergangenheit sei ein guter Heilungserfolg sichtbar gewesen. Diesem Antrag legte der Kläger ein ausgefülltes Antragsformular der Beklagten "Stationäre Rehabilitation Leistungen" nebst einer Verordnung durch die Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. med. B. vom 5. Februar 2016 nebst einen Auszug aus einem ärztlichen Entlassungsberichts (ohne Angabe von Datum bzw. der ausstellenden Reha-Einrichtung).
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15. Februar 2016 den Antrag ab. Grundsätzlich sei eine erneute stationäre Reha-Maßnahme erst nach Ablauf von vier Jahren möglich. Aus den eingereichten Unterlagen seien keine dringenden gesundheitlichen Gründe erkennbar, die eine vorzeitige Leistung erforderten.
Dagegen erhob der Kläger am 18. Februar 2016 Widerspruch und setzte der Beklagten eine Frist bis zum 24. Februar 2016 zum Erlass eines positiven Bescheids. Die Rechtsauffassung der Beklagten sei falsch und sie nehme einen verminderten Gesundheitszustand billigend in Kauf um seine weitere Berufsausübung zu behindern. Er sei im Lebensmittelbereich tätig und benötige die Reha-Maßnahme zur Behandlung seine Erkrankung, um weiter seiner Berufsausübung nachzugehen.
Der Kläger hat am 25. Februar 2016 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage (S 25 KR 108/16) erhoben, die das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 5. April 2016 als unzulässige Untätigkeitsklage abgewiesen hat. Die Frist für die Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von drei Monaten seit Einlegung des Widerspruchs sei nicht erfüllt.
Am 26. April 2016 hat der Kläger erneut Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.
Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 6. Juni 2016 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 34 KR 367/16) erhoben.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 28. November 2016 die Klage abgewiesen. Zwar sei die am 26. April 2016 (erneute) erhobene Untätigkeitsklage mit Ablauf der dreimonatigen Sperrfrist am 18.05.2016 zulässig geworden. Dem Kläger fehle es jedoch an einem Rechtsschutzinteresse für die erhobene Untätigkeitsklage. Die Untätigkeitsklage habe sich durch Erlass des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2016 erledigt. Der Kläger habe damit sein Klagebegehren erreicht, ohne das Verfahren für erledigt zu erklären. Da der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2016 Klage erhoben habe (Az. S 34 KR 367/16) könne nicht von einer Klageänderung nach § 99 SGG in eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ausgegangen werden. Im Übrigen sei die Untätigkeitsklage unbegründet. Die Untätigkeitsklage sei begründet, wenn kein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des Widerspruchs vorliege (Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Auflage 2014, Rn. 9 ff.). Ein solcher zureichender Grund könne eine vorübergehende besondere Belastung, organisatorische Änderungen, besondere Schwierigkeit insbesondere hinsichtlich des Sachverhalts und Umstände sein, oder wenn der Kläger die Behörde mit einer Vielzahl von Widersprüchen, Anträgen auf einstweilige Anordnung und Klageverfahren überziehe (Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, § 88 Rn. 7a; LSG Hessen, Beschluss vom 15.07.2008 - L 9 B 39/08 SO - juris). Unter Würdigung d...