Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass eines Beitragssummenbescheides durch Schätzung bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht durch den Arbeitgeber

 

Orientierungssatz

1. Zweck der Regelung gemäß § 28 f Abs. 2 SGB 4 durch Erlass eines Beitragssummenbescheides bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers ist es, Einnahmeverluste der Sozialkassen zu vermeiden und zugleich auszuschließen, dass Arbeitgeber mittels einer Aufzeichnungspflichtverletzung Wettbewerbsvorteile erlangen können.

2. Die nach § 28 f Abs. 2 SGB 4 zulässige Schätzung setzt eine Verletzung der Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers voraus. Auf ein Verschulden kommt es hierbei nicht an (BSG Urteil vom 7. 2. 2002, B 12 KR 12/01 R).

3. Der Arbeitgeber, der nicht ordnungsgemäß festgestellt hat, trägt die objektive Beweislast, dass ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand der rechtlich zutreffende Beitrag festgestellt werden kann.

4. Der Versicherungsträger kann die Beitragshöhe auf der Grundlage der bei dem Arbeitgeber sichergestellten Unterlagen schätzen. Dabei ist das ortsübliche Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. September 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Juli 1999 bis 31. Oktober 2002 in Höhe von 234.805,56 € (incl. Säumniszuschlägen in Höhe von 105.260,55 €) zu entrichten hat.

Der Kläger ist 1959 im ehemaligen Jugoslawien geboren, hat dort nach dem Abitur ein Technologiestudium begonnen und lebt seit 1990 in Deutschland. Zunächst arbeitete er bei seinem als selbstständig tätigen Vater. Seit 1999 betreibt er ein Einzelunternehmen. Am 3. März 1999 meldete der Kläger ein Gewerbe für die Tätigkeiten "Eisenflechter, Betonbohrer u. Schneider, Bautrockner, Fuger (Hochbau) u. Bauhilfsarbeiter mit Subunternehmereigenschaft ohne vollhandwerkliche Tätigkeiten" an. Am 28. Februar 2001 meldete er das Gewerbe im Sinne einer Erweiterung um "Forstbetrieb/Holzfällerarbeiten" um.

Der Kläger schloss wiederholt Subunternehmerverträge mit der C. GmbH (C-Bau GmbH - diese handelnd durch D.) ab. Mit Vertrag vom 1. Oktober 1999 wurde an den Kläger ein Teil der mit Vertrag vom 1. Oktober 1999 der C-Bau GmbH von der E.AG, BS-E-Stadt hinsichtlich des Netzbezirks F-Stadt, G-Stadt und E-Stadt übertragenen Arbeiten (Vegetationsrückschnitt, Grünschnitt im Stundenlohn) vergeben. Hierbei handelte es sich um "Baumfällarbeiten im Gleisbereich der E. AG sämtl. Grünpflegearbeiten im Bahnbereich gemäß Leitbild 'Grün der Bahn' ". Gemäß § 13 des Vertrages werden Stundenlohnarbeiten vergütet, wenn sie vor Beginn ausdrücklich vereinbart werden. Die Vorlage der Stundenzettel erfolgt am folgenden Arbeitstag zu Händen der Bauleitung. In einer Anlage zu diesem Vertrag zwischen dem Kläger und der C-Bau GmbH vom 1. Oktober 1999 wurden die Arbeitszeiten detailliert geregelt, der Stundenlohn für Vorarbeiter, Forstarbeiter, Forsthelfer sowie Kosten für Motorsäge festgelegt und die Verantwortlichen auf der Baustelle, die über die Eisenbahnbetriebsgefahren belehrt worden sind, benannt (H. H., I. I., J. J. und K. K.). Den Akten ist ein weiterer Subunternehmervertrag zwischen dem Kläger und der C-Bau GmbH vom 28. Juni 1999 zu entnehmen, in welchem ferner vereinbart wurde: "Stundenzettel und Aufmaße sind wöchentlich von der Bauleitung bzw. dem Verantwortlichen abzuzeichnen bzw. zu unterschreiben!" (§ 5 des Vertrages). Nach § 7 dieser Verträge hatte der Kläger die übernommenen Aufgaben im eigenen Betrieb auszuführen. Eine Weitergabe war nur mit schriftlicher Zustimmung der C-Bau GmbH gestattet. Mit der Nachunternehmererklärung zwischen dem Kläger und der C-Bau GmbH vom 5. Januar 2000 verpflichtete sich der Kläger (für das Bauvorhaben L. L-Stadt E. M-Stadt), dass alle von ihm eingesetzten Arbeitnehmer ordnungsgemäß sozialversichert sind und er vor Arbeitsaufnahme auf der Baustelle der C-Bau GmbH eine Liste aller Arbeitnehmer, die voraussichtlich dort beschäftigt werden, einreicht. Diese Aufstellung muss die Beitragsnummer, die Krankenkasse, Namen und Vornamen sowie das Geburtsdatum der Arbeitnehmer enthalten. Eine Nachmeldung ist unverzüglich vorzunehmen. In den Akten befindet sich ferner der am 2. Januar 2001 zwischen dem Kläger und der C-Bau GmbH geschlossene Subunternehmervertrag (Laufzeit bis 31. Dezember 2002, § 10 Vertragsbedingungen). Danach vergab die C-Bau GmbH die ihr von der E. Netz AG übertragene Durchführung von Baumfäll- und Gehölzrückschnittarbeiten an E-Strecken an den Kläger. In § 13 des Vertrages ist geregelt, dass die Vorlage der Stundenzettel am folgenden Arbeitstag erfolgt. Die Übertragung des Leistungsauftrages oder Teile daraus an Dritte (insbesondere Subunternehmer) ist nicht zulässig (§ 7 der ebenfalls am 2. Januar 2001 unte...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge