Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Fahrkosten. Nichtleistung der Zuzahlung durch Versicherten. Inkassorisiko beim Leistungserbringer. Nichtanwendung des § 43b SGB 5. Sonderregelung für Rettungsdienste
Leitsatz (amtlich)
1. Leistet ein Versicherter nicht die ihm obliegende Zuzahlung zu Fahrkosten gemäß § 60 SGB 5, so trägt - soweit nicht etwas Abweichendes vertraglich vereinbart ist - der Leistungserbringer das Inkassorisiko.
2. § 43b SGB 5 ist auf Fahrkosten nicht anwendbar.
3. Für Fahrten von Rettungsdiensten gilt die Sonderregelung in § 60 Abs 2 S 2 SGB 5.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. März 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, wer das Inkassorisiko bei Krankentransporten trägt, wenn Versicherte die ihnen obliegende Zuzahlung nicht leisten.
Die Klägerin erbringt Krankentransporte unter anderem gegenüber Versicherten der Beklagten. Hierbei handelt es sich um Rollstuhlkrankenfahrten zu ambulanten und stationären Behandlungen, zu vor- und nachstationären Krankenhausbehandlungen sowie zu ambulanten Operationen. Rettungstransporte führt sie nicht durch.
Am 1. September 2005 schloss die Klägerin mit der Beklagten eine Vereinbarung über die Vergütung von Rollstuhlkrankenfahrten im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes. Gemäß § 1 Abs. 3 dieser Vereinbarung übernimmt die Beklagte die Fahrkosten je Fahrt abzüglich des sich nach § 61 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ergebenden Eigenanteils. Das Abrechnungsverfahren wird auf dem Wege des Datenträgeraustausches durchgeführt (§ 4 Abs. 1 der Vereinbarung). Der Rechnungsbetrag wird sodann um den gesetzlich vorgeschriebenen Eigenanteil des Versicherten gekürzt, sofern der Versicherte die Belastungsobergrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V noch nicht erreicht hat (§ 4 Abs. 2 der Vereinbarung). Gemäß § 4 Abs. 6 der Vereinbarung erlischt der Vergütungsanspruch, wenn die erstmalige Rechnungsstellung nicht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats der Leistungserbringung erfolgt.
Mit Schreiben vom 2. August 2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, die namentlich aufgelisteten Versicherten hätten ihren Eigenanteil nicht bezahlt, obgleich sie jeweils eine Rechnung und - soweit die Zustellung dieser Rechnung möglich gewesen sei - auch eine Zahlungserinnerung erhalten hätten. Die Klägerin habe daher einen Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten in Höhe von 384,99 €. Der Anlage zum angeführten Schreiben der Klägerin ist zu entnehmen, dass es sich um Rechnungen aus den Jahren 2005 bis 2007 handelt und die betreffenden Versicherten entweder verstorben, unbekannt verzogen seien oder aus sonstigen Gründen die Rechnungen nicht bezahlt haben.
Die Beklagte trat dieser Forderung entgegen. § 43b Abs. 1 S. 2 SGB V sei auf die von der Klägerin durchgeführten Krankenfahrten nicht anzuwenden.
Am 26. Februar 2009 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben und Forderungsausfälle in Höhe von nunmehr insgesamt 836,32 € geltend gemacht. Die von ihr vorgelegten Listen weisen weitere Rechnungen aus dem Jahr 2007 (nicht geleistete Eigenanteile in Höhe von 255,52 € und 35,- €) auf. Ferner hat sie 29 Einzelrechnungen aus dem Jahr 2008 vorgelegt (nicht geleistete Eigenanteile in Höhe von 160,81 €).
Mit Urteil vom 10. März 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu. Dies folge aus der zwischen den Beteiligten bestehenden vertraglichen Regelung sowie aus § 43b SGB V. Diese Vorschrift stelle ausdrücklich auf Zuzahlungen und nicht auf Eigenanteile ab. Zuzahlungen unterschieden sich von Eigenanteilen an Fahrkosten darin, dass ein Fahrkostenanspruch nach § 60 SGB V grundsätzlich überhaupt erst dann entstehen könne, wenn die Fahrkosten den Eigenanteil selbst übersteigen. Nehme ein Versicherter danach einen Krankentransport in Anspruch und lägen die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse dem Grunde nach vor, vollziehe sich auch hier im Dreiecksverhältnis eine Aufteilung der Zahlungsansprüche des Krankentransportunternehmens in einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherten und - soweit die Kosten über diesen Anspruch hinaus gingen - einen weiteren unmittelbaren Anspruch gegen die Vertragskrankenkasse. Für eine Anwendung von § 43b SGB V bestehe danach weder direkt noch analog Raum. Die Krankenkassen seien hinsichtlich der streitigen Eigenanteile gerade nicht Inhaber dieser der Klägerin zustehenden Zahlungsansprüche. Dies unterscheide sie von den Zuzahlungsansprüchen. Ausdrücklich nicht erfasst von dieser Norm seien also Zahlungen der Versicherten, die diese unmittelbar den Leistungserbringern und nicht den Krankenkassen schuldeten. Hierzu gehörten zum Beispiel Versichertenanteile bei der kieferorthopädischen Behandlung, Zahlungen an Leistungserbringer für Festbeträge übersteigende Leistungen, für Arz...