Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Honorarverteilungsvertrag. Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen. Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen. Beurteilungsspielraum. Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Ausnahme vom Regelleistungsvolumen unter Berücksichtigung der Honorarverteilungsgerechtigkeit. keine notwendige Beiladung von Verbänden der Krankenkassen oder Ersatzkassen. Vorliegen einer echten Spezialisierung. Anknüpfung an BSG-Rechtsprechung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Entscheidung des Vorstands der KV Hessen gem Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV 2005, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen, steht diesem ein Beurteilungsspielraum zu.

2. Von einer Sicherstellung der ärztlichen Versorgung kann nur ausgegangen werden, wenn es für die Versicherten unter Berücksichtigung der festgestellten Nachfrage nach den streitgegenständlichen ärztlichen Leistungen entweder im Planungsbereich selbst oder zumindest in den unmittelbar angrenzenden Planungsbereichen eine in zumutbarer Zeit erreichbare ausreichende Zahl von Behandlern gibt, die in der Lage wären, die notwendige Versorgung mit solchen Leistungen zeitnah sicherzustellen.

3. Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG erfordert eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen außer für den im HVV 2005 geregelten Fall einer Sicherstellungsproblematik auch dort, wo sich innerhalb einer Arztgruppe bereits vor Inkrafttreten der Regelungen über die Regelleistungsvolumina Ärzte mit Leistungen in zulässiger Weise spezialisiert hatten und dieses spezifische Leistungsangebot durch das Regelleistungsvolumen der Fachgruppe, der sie zugeordnet sind, nicht leistungsangemessen abgedeckt wird.

 

Orientierungssatz

1. Die Neufassung des § 85 Abs 4 S 2 SGB 5 durch Art 1 Nr 64 Buchst h des GKV-Modernisierungsgesetzes, GMG vom 14.11.2003 - BGBl I 2003, 2190 hat nichts daran geändert, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen (seit dem 1.7.2008: die Ersatzkassen) auch in solchen Honorarstreitverfahren, in denen inzident über die Geltung eines Honorarverteilungsvertrages gestritten wird, nicht notwendig beizuladen sind.

2. Für die Frage, wann eine echte Spezialisierung vorliegt, welche im Rahmen des Regelleistungsvolumens die Notwendigkeit einer Ausnahmeregelung begründet, kann an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu ähnlichen Problemlagen angeknüpft werden (vgl zB BSG vom 22.3.2006 - B 6 KA 80/04 R = SozR 4-2500 § 87 Nr 12

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.06.2011; Aktenzeichen B 6 KA 18/10 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 6. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Verfahrenskosten auch des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zuerkennung einer Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen in den Quartalen II/05 bis II/06.

Die Klägerin ist eine seit dem 1. Januar 2003 bestehende Gemeinschaftspraxis in A-Stadt im Landkreis ZZ. (Enddarmzentrum ZZE.). Dr. med. F. war bis zum 28. April 2003 als Facharzt für Allgemeinmedizin hausärztlich tätig und ist gemäß Beschluss des Zulassungsausschusses seit dem 29. April 2003 zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung für das Fachgebiet Chirurgie zugelassen. In diesem Zusammenhang wurde ihm die Abrechnungsgenehmigung u.a. für die Leistungen nach den Ziffern 01740 bis 01742 und 30600 und 30601 EBM 2000plus erteilt. Dr. med. G. und Dr. med. H. sind als Fachärzte für Chirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie sind berechtigt, Leistungen aus Kapitel 30.6 EBM 2000plus (Proktologie) abzurechnen. Dr. med. H. ist ferner berechtigt, Koloskopien abzurechnen. Dr. med. I. ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zugelassen und nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil. Er ist berechtigt, Leistungen nach den Ziffern 30610 und 30611 EBM 2000plus (Behandlung und Entfernung von Hämorrhoiden) und proktologische/ rektoskopische Untersuchungen nach den Ziffern 03331 EBM 2000plus sowie den Zuschlag zu dieser Leistung für die Polypenentfernung nach der Ziffer 03332 EBM 2005 abzurechnen, die im Leistungsinhalt den Ziffern 30600 und 30601 EBM 2005 entsprechen.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2005 und 30. Januar 2006 beantragte die Klägerin eine Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens für das Quartal II/05; für die Quartale ab III/05 wurde mit Schreiben vom 24. November 2006 ein entsprechender Antrag gestellt. Die Klägerin verwies auf die entsprechende Problematik bei ihrem Kooperationspartner in AAB., der Praxis Dres. J. und K. und die sich aus ihrem Status als spezialisiertes Kompetenzzentrum für die Behandlung von Dick- und Enddarmerkrankungen ergebe. In der Vergangenheit sei ihnen im Rahmen des Praxisbudgets eine Sonderregelung ...

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