Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Darmstadt vom 17.3.2010 - L 4 KA 25/08, das vollständig dokumentiert ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Verfahrenskosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 10.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zuerkennung einer Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen ab dem Quartal II/05.
Der Kläger zu 1) war im Rahmen einer Sonderbedarfszulassung bis zum 8. August 2005 als Facharzt für Chirurgie niedergelassen. Zum 9. August 2005 gründete er zusammen mit Dr. C. die Klägerin zu 2), eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. In diesem Zusammenhang erfolgte eine Umwandlung der Zulassung von Dr. A. zum Facharzt für Chirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung Viszeralchirurgie. Ebenfalls mit Wirkung zum 9. August 2005 wurde Dr. C. als Facharzt für Chirurgie zugelassen.
Nach dem Honorarverteilungsvertrag der Beklagten gehören die Kläger zu 1) und 2) der Honorar(unter)gruppe der Fachärzte für Chirurgie, B 2.23 an. Dr. A. ist berechtigt, Koloskopien zu erbringen und abzurechnen.
Am 21. Juli 2005 beantragte der Kläger zu 1) eine dem Schwerpunkt und den Besonderheiten der Praxis angemessene Fallpunktzahl zur Berechnung eines angemessenen Regelleistungsvolumens. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2005 - bereits adressiert an die Gemeinschaftspraxis - wies die Beklagte den Antrag ab, da Sonderanträge zur Bildung des Regelleistungsvolumens nach einer Festlegung des Vorstands nur noch in Einzelfällen bei Vorliegen einer absoluten Sicherstellungsproblematik erfolgen könnten. Als Bewertungsvorgabe sei ein “Sicherstellungsradius„ von 50 km festgelegt worden, d. h. Patienten würden ggf. größere Entfernungen - speziell zur fachärztlichen Versorgung - zugemutet. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien könne dem Antrag nicht stattgegeben werden. Hiergegen legten die Kläger am 3. November 2005 Widerspruch ein. Sie wiesen darauf hin, dass mit Ausnahme einer weiteren, mit ihnen im Praxisverbund stehenden Praxis in XY. (Enddarmzentrum Mittelhessen) keine fachkoloproktologische und fachviszeralchirurgische Versorgung im ambulanten Bereich im Umkreis von 50 km um A-Stadt stattfinde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, gemäß dem Honorarverteilungsvertrag seien für die Praxis folgende arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen (einschließlich Zuschlag von 130 Punkten für Gemeinschaftspraxen) festgelegt worden:
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Primärkassen |
Ersatzkassen |
Altersgruppe |
0 - 5 |
6 - 59 |
-≫ 60 |
0 - 5 |
6 - 59 |
-≫ 60 |
Fallpunktzahl |
667 |
926 |
1.187 |
604 |
831 |
1.033 |
Im Quartal II/05 seien 1.645 Fälle mit einem Fallpunktwert von 838,9 Punkten zugrunde gelegt worden. Das praxisbezogene Regelleistungsvolumen betrage damit 1.012.342,6 Punkte. Bei einer Honoraranforderung von 2.106.690,0 Punkten sei das Regelleistungsvolumen um 1.094.347,4 Punkte überschritten worden. Im Quartal III/05 betrage das Regelleistungsvolumen bei einer Fallzahl von 1.575 Fällen und einem Fallpunktwert von 974,8 Punkten 1.535.310,0 Punkte. Das Regelleistungsvolumen sei bei einer Abrechnung von 2.233.465,0 Punkten um 698.155,0 Punkte überschritten worden. Bei Überschreitung sei eine Bewertung zum unteren Punktwert erfolgt. Der Bewertungsausschuss habe in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2004 für die Leistungen der Ziffern 30600, 30610 und 30611 EBM 2000plus keine Zuordnung zu den Leistungsbereichen für extrabudgetär oder vorab zu vergütende Leistungen vorgesehen. Sicherstellungsgründe lägen nicht vor. Im Planungsbereich des Landkreises A-Stadt sei zwar kein weiterer Viszeralchirurg tätig, es gäbe jedoch eine große Zahl an weiteren Fachärzten, welche proktologische Leistungen berechtigterweise abrechneten. Die Einteilung der Arzt-/Fachgruppen und damit der Honorar(unter)gruppen orientierten sich grundsätzlich an den Vorgaben des EBM 2000plus, und es erfolge die Honorarausstattung der einzelnen Honorar-(unter)gruppen auf Basis der tatsächlich in den jeweiligen Quartalen des Jahres 2004 erfolgten Honorarzahlungen, sodass in die Ermittlung der maßgeblichen Fallpunktzahlen das von der Arzt-/Fachgruppe der Chirurgen abgerechnete Honorarvolumen für proktologische Leistungen einbezogen sei. Ferner greife bei den Klägern die Regelung der Ziffer 7.5 HVV zur Vermeidung von Fallwertverlusten. Im Fall der Einzelpraxis des Klägers zu 1) als auch bei der Klägerin zu 2) habe die Ausgleichsregelung in den Quartalen II/05 und III/05 zu Auffüllungsbeträgen in Höhe von 58.554,60 € bzw. 14.976,18 € geführt. Der Vorstand habe beschlossen, dass Ausnahmeregelungen zum Regelleistungsvolumen nicht zugestimmt werden könne, wenn Honorarverwerfungen bedingt durch die Einführung des EBM 2005 bereits durch einen Auffüllbetrag Berücksichtigung gefunden hätte...