Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Darmstadt vom 14.12.1995 - L 5 V 1221/94, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
SG Kassel (Urteil vom 08.02.1996; Aktenzeichen S-2/An-817/95) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juli 1996 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1930 geborene Kläger hat als ausländischer Staatsangehöriger seinen Wohnsitz in Kroatien.
Erstmals am 8. August 1988 beantragte er bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung und trug vor, am 28. Juli 1944 durch liegengebliebenes Kriegsmaterial schwer verletzt worden zu sein. Er sei erblindet, habe Verletzungen an der Hand und zahlreiche Narben davongetragen. Ferner trug er vor, daß er als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland anerkannt sei und dementsprechend Invalidenrente erhalte. Nach weiteren Ermittlungen erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Januar 1991 als Schädigungsfolgen
1) “Erblindung des rechten Auges, Verlust des linken Auges, 2) Verlust des rechten Armes im Unterarm”
an und gewährte Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. nebst Schwerbeschädigtenzulage Stufe II und Pflegezulage Stufe II ab 1. August 1988. Zur Begründung führt er unter anderem aus, daß die Leistung als sogenannte “Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 BVG bewilligt werde.
Diesen Bescheid nahm der Beklagte ohne vorherige Anhörung des Klägers mit Aufhebungsbescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück und führte zur Begründung aus, daß der Bewilligungsbescheid rechtswidrig sei, da eine Doppelversorgung gemäß § 7 Abs. 2 BVG unzulässig sei. Der Kläger erhalte bereits Rente als ziviles Kriegsopfer von seinem Heimatstaat und habe deshalb keinen weiteren Anspruch nach dem BVG. Die Aufhebung sei im öffentlichen Interesse geboten. Zugunsten der Interessen des Klägers sei bereits berücksichtigt worden, daß der Grund für das Zustandekommen des rechtswidrigen Bescheides allein in der Verantwortung der deutschen Verwaltung liege. Im Rahmen der Ermessensprüfung sei die persönliche Lage des Klägers berücksichtigt worden. Die Höhe der Versorgung des Heimatstaates könne nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, da auf diese wirtschaftlichen Verhältnisse deutsche Verwaltungsentscheidungen keinen Einfluß hätten.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 27. Februar 1993 Widerspruch ein und trug vor, daß die Entziehung der Versorgungsleistungen rechtswidrig sei. Seiner Ansicht nach sollte insbesondere die Verpflichtung, minderjährige zivile Kriegsopfer zu schützen und zu versorgen, beachtet werden. Durch Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 1993 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Da den Kläger kein Verschulden an der Rechtswidrigkeit des Bescheides treffe, brauche er die gezahlten Leistungen nicht zurückzuerstatten. Für die Zukunft überwiege jedoch das öffentliche Interesse. Es sei bekannt, daß der Kläger schon in den jungen Jahren schwer geschädigt worden sei und in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Dieser Umstand treffe bei Sozialleistungen vielfach zu und könne bei allem Verständnis nicht dazu führen, daß lebenslang fortgeführt werde, was nach dem Gesetz nicht hätte sein dürfen.
Am 15. Juli 1995 ging ein Schreiben des Klägers vom 10. Juli 1995 ein, worin er die Rücknahme des Aufhebungsbescheides begehrte. Mit Bescheid vom 7. August 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 1996 lehnte der Beklagte die Rücknahme der bindend gewordenen Bescheide vom 11. Januar 1993 und 26. Juli 1993 ab.
Am 28. Februar 1996 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und die Ansicht vertreten, daß die Entziehung von Versorgungsleistungen rechtswidrig sei und deshalb nicht hätte erfolgen dürfen.
Mit Gerichtsbescheid vom 15. Juli 1996 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 7. August 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 1996 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Bescheid vom 11. Januar 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 1993 aufzuheben. In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt, daß eine Aufhebung nur unter den Voraussetzungen des § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) hätte erfolgen können. Entscheidend sei, daß der Beklagte von der ihm nach § 45 Abs. 1 SGB X obliegenden Pflicht zur Anwendung sachgerechten Ermessens keinen Gebrauch gemacht habe. Der Beklagte habe seine Entscheidung nicht auf den individuellen Einzelfall des Klägers abgestellt. Vielmehr weise die Formulierung darauf hin, daß der Beklagte bei seiner Entscheidung gerade nicht die individuellen Verhältnisse d...