Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragspflicht eines ehrenamtlich tätigen kommunalen Funktionsträgers
Orientierungssatz
1. Ehrenamtliche kommunale Funktionsträger können dann Beschäftigte sein, wenn sie - neben der Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben - weisungsgebunden dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten.
2. Das Kriterium, dass die Tätigkeit im Prinzip auch im allgemeinen Erwerbsleben in Betracht kommen kann, ist nicht personenbezogen, sondern sachbezogen zu verstehen. Ortsvorsteher, die Teil der Administration und auch eingeordnet in die Verwaltungsorganisation sind, üben eine Tätigkeit aus, die auch hauptamtlich wahrgenommen werden könnte.
3. Die Tätigkeit des Leiters einer Außenstelle der Verwaltung ist eine nicht selbständige Tätigkeit, die der Leitung der Gemeindeverwaltung unterworfen ist. Die Aufwandsentschädigung für diese Tätigkeit ist Arbeitsentgelt und damit sozialversicherungspflichtig.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. Oktober 2004 wird geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2000 und der Ergänzungsbescheid vom 6. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2002 werden insoweit aufgehoben als versicherungspflichtige Beschäftigungen der Beigeladenen zu 1 bis 3 auch für die Tätigkeit als Vorsitzender des Ortsbeirats festgestellt und insoweit Sozialversicherungsbeiträge festgesetzt worden sind.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Beitragspflicht der Klägerin zur Sozialversicherung für die Beigeladenen zu 1) bis 3), drei ehrenamtliche Ortsvorsteher der Klägerin, welche zugleich mit der Stelle eines Leiters der Außenstelle der Verwaltung betraut worden waren, und darauf basierend eine durch Bescheid festgesetzte Beitragsnacherhebung in Höhe von 5.428,88 Euro.
Im September 2000 führte die Rechtsvorgängerin der Beklagten und Berufungsbeklagten, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV durch. Hierbei wurde u.a. festgestellt, dass mehrere Ortsvorsteher, nämlich die Ortsvorsteher B., C. und A., pauschale Aufwandsentschädigungen erhalten hatten, welche den nach § 3 Nr. 12 S. 2 EStG steuerfreien Betrag überschritten. Diese drei Ortsvorsteher waren auch nach § 82 Abs. 5 S. 4 Hessische Gemeindeordnung (HGO) mit der Leitung einer Außenstelle der Gemeindeverwaltung im Ortsbezirk betraut gewesen.
Durch Bescheid vom 19. Oktober 2000 und - nach Einlegung des Widerspruchs hiergegen sowie weiteren Prüfungen - weiteren Bescheid vom 8. Juni 2002, der nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden war, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2002 setzte die Beklagte für die drei Ortsvorsteher Beitragsnachforderungen gegen die Beklagte in Höhe von € 5.428,88 fest.
Dies beruhte auf in der Höhe nicht bestrittenen Zahlungen aufgrund der Entschädigungssatzung der Klägerin vom 22. Februar 1990. Nach dieser Satzung wurden zum einen Aufwandsentschädigungen für Teilnahmen an Sitzungen des Ortsbeirates geleistet. Zum anderen erhielten Ortsvorsteher, denen die Leitung einer Verwaltungsaußenstelle übertragen worden war, eine zusätzliche Aufwandsentschädigung in Abhängigkeit von der Größe des jeweiligen Stadtteils. Für die mit der Leitung der Außenstelle verbundenen Aufgaben galt eine Anordnung des Bürgermeisters der Klägerin aus dem Jahre 1998, in welcher u.a. zum einen deren Einordnung in die administrative Hierarchie der Klägerin klargestellt wurde und welche zum anderen einen Katalog der in die Zuständigkeit dieser Ortsvorsteher fallenden administrativen Aufgaben enthielt.
Die BfA (und später die Beklage als ihre Rechtsnachfolgerin) zog von den Bruttozahlungen die Beträge ab, welche bei ehrenamtlicher Tätigkeit auch einkommensteuerrechtlich pauschal als echte Aufwandsentschädigung anerkannt werden. Die überschießenden Beträge behandelte sie als Arbeitsentgelt, welches je nach den individuellen Verhältnissen als beitragspflichtig angesehen wurde. Dabei wurden die auf unterschiedlichen satzungsrechtlichen Grundlagen beruhenden und für unterschiedliche Aufgabenwahrnehmungen gezahlten Beträge zusammengefasst.
Für den Beigeladenen zu 1) ermittelte die BfA von April 1999 bis Dezember 2001 DM 12.494,68 sowie für Januar bis März 2002 € 720,12 Arbeitsentgelt. Für ihn als geringfügig beschäftigten Bezieher einer Beamtenpension seien pauschale Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung nachzuentrichten.
Als einkommensteuerpflichtiges und damit grundsätzlich beitragspflichtiges Arbeitsentgelt wurden für den Beigeladenen zu 2) für die Zeit von März 2000 bis April 2001 DM 13.723,30 zugrunde gelegt. Er sei in der Zeit versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Klägerin müsse für ihn Beiträge zur Kranken-, P...