Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.02.1994; Aktenzeichen S-10/U-1873/92) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Februar 1994 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK).
Der im Februar 1935 geborene Kläger war nach abgeschlossener Lehrausbildung zum Graveur, Ziseleur und Goldschmied von 1965 an bei der Firma D. P. d. N. in N. I. als Labortechniker beschäftigt. In der Zeit von 1965 bis 1967 war der Kläger einer Einwirkung von Methylenchlorid und Schweißrauchen von Polyvinylchlorid und von 1968 bis 1971 während 50 % seiner Arbeitszeit der Exposition von Formaldehyddämpfen ausgesetzt. Von 1972 bis 1981 war der Kläger mit der Durchführung und Auswertung von Filmversuchen betraut. Der dabei verwendete Langzeitentwickler enthielt die Stoffe Hydrochinon, Phenidon, Soda, Kalilauge, Natriumsulfat, Kaliumbromid, Diäthanolamin, Methylglykol, ventrierte Heterocylen sowie Phenylmercapto/tetracol und Neutrocyanine sowie Acometine. Nach Reaktion mit den Finnen waren im zurückbleibenden Schlamm verschiedene Reaktionssubstanzen vorhanden, so Hydrochinon-Monosulfonat, Hydrochinon-Disulfat, Kalium- und Natriumchlorid, Kalium- und Natriumbromid, Silberbromid, Natriumsulfat, Essigsäure und Spuren von Silber und Quecksilbersalzen. In der Zeit von 1974 bis 1977 war der Kläger Einwirkungen von Quecksilber ausgesetzt, weil ein mit Quecksilber gefüllter Glaskolben zerbrach und sich die Quecksilbermenge über Labortisch und Fußboden verteilte.
Im Jahre 1981 kam der Kläger mit Entwicklerflüssigkeit im Bereich des linken Mittelfingers in Berührung. Wegen eines in der Folgezeit entstandenen Exantems machte der Kläger 1982 eine Hauterkrankung als BK bei der Beklagten geltend.
Bei dem Kläger traten erstmals 1966 Magenbeschwerden mit Nüchternschmerz auf. Der Kläger litt in der Folgezeit unter einem rezidivierenden Magengeschwürsleiden, das 1985 zu einer Magenoperation mit proximaler selektiver Vagotomie und Cardiaplastik führte. Im Jahre 1989 wurde eine Gallenblasenentfemung wegen einer chronischen Gallenblasenentzündung bei Gallensteinleiden vorgenommen. Die Erkrankung an Magen und Gallenblase machte der Kläger unter dem 10. November 1989 als BK gegenüber der Beklagten geltend und gab an, diese Gesundheitsstörungen seien auf die Einwirkung von Methylenchlorid, Formaldehyd und Quecksilber zurückzuführen.
Die Beklagte nahm eine von dem Arbeitgeber des Klägers erstellte Tabelle über Berufsstoffe, mit denen der Kläger Umgang hatte, zu den Akten und zog ärztliche Unterlagen über die Erkrankungen des Klägers bei.
Im Auftrag der Beklagten erstattete Prof. Dr. W. Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin an der J.-L.-U. G. unter dem 9. August 1991 ein Gutachten zu der Frage, ob der Kläger unter einer BK leidet.
Der Sachverständige gelangte nach Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Erkrankung durch Methylenchlorid, Quecksilber, Formaldehyd und lokal irritativ-toxisch wirkender Substanzen lägen bei dem Kläger vor, insoweit seien die haftungsbegründenden Voraussetzungen erfüllt. Es fehle jedoch an der haftungsausfüllenden Kausalität.
Die Magenerkrankung des Klägers könne nicht auf die Einwirkung von Berufsstoffen zurückgeführt werden. Eine Magenerkrankung sei nicht in dem geltenden BK-Recht als BK eingebunden. Es gäbe auch keine Hinweise dafür, daß die Einwirkung von Methylenchlorid sich schleimhautschädigend auf den Magen- und Darmtrakt auswirke. Diesbezüglich lägen keinerlei Erkenntnisse vor.
Auch die Anerkennung einer Berufserkrankung nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) – durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können – komme hier nicht in Betracht. Zwar sei der Kläger einer Einwirkung von chemisch-irritativ auf die Atemwege wirkenden Stoffen wie Laugen, Schweißrauche und Lösungsmitteldämpfe ausgesetzt gewesen. Die durchgeführte Lungenfunktionsprüfung habe jedoch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität und/oder eine obstruktive Ventilationsstörung ergeben.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nr. 1102 der Anlage 1 zur BKVO, eine Erkrankung durch Quecksilber oder seine Verbindungen, lägen ebenfalls nicht vor. Eine Quecksilbervergiftung könne zu schweren Krankheitssymptomen mit blutigen Durchfällen, Schleimhautnekrosen in Dünn- und Dickdarm sowie Nierenfunktionsstörungen fuhren. Die chronische Form, die in der Regel durch langzeitige Aufnahme kleinerer Quecksilbermengen entstehe, könne neben unspe...