Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftliche Unfallversicherung. JAV. Schulausbildung. Quasiberufskrankheit. Neurose
Orientierungssatz
1. Sowohl nach § 941 RVO aF als auch nach § 786 RVO nF idF vom 30.4.1963 ist bei Verletzten, für die durchschnittliche Jahresarbeitsverdienste festgesetzt sind und die sich zur Zeit des Unfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung befunden haben, für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung anstelle des dann geltenden Tariflohnes oder des sonst allgemein festgesetzten Lohnes (§ 565 Abs 1 RVO aF, § 573 Abs 1 RVO nF) der für die höhere Altersstufe festgesetzte durchschnittliche Jahresarbeitsverdienst maßgebend (vgl BSG vom 15.9.1986 - 2 BU 104/86 = HV-INFO 1986, 1605).
2. Es bedarf noch eingehender klinischer und epidemiologischer Forschungen, ob Verhaltensstörungen (Neurosen) und psychosomatische Erkrankungen überhaupt als direkte Folge von hoher psychischer Berufsbelastung (durch beruflich verursachten Streß) entstehen können. Die Krankheitsverursachung und -entwicklung bei hoher psychischer Belastung ist vielmehr sehr komplex und nur multifaktoriell erklärbar. Die aktuellen wissenschaftlichen Ergebnisse der psychophysiologischen und arbeitspsychologischen Belastungs- und Beanspruchungsforschung sprechen gegen eine monokausale Auslösung von Verhaltensstörungen (Neurosen) bzw psychosomatischen Erkrankungen durch hohe psychische Berufsbelastung bei bestimmten Personengruppen.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK).
Der im Februar 1935 geborene Kläger war nach abgeschlossener Lehrausbildung zum Graveur, Ziseleur und Goldschmied von 1965 an bei der Firma D P N in N I als Labortechniker beschäftigt. In der Zeit von 1965 bis 1967 war der Kläger einer Einwirkung von Methylenchlorid und Schweißrauchen von Polyvinylchlorid und von 1968 bis 1971 während 50% seiner Arbeitszeit der Exposition von Formaldehyddämpfen ausgesetzt. Von 1972 bis 1981 war der Kläger mit der Durchführung und Auswertung von Filmversuchen betraut. Der dabei verwendete Langzeitentwickler enthielt die Stoffe Hydrochinon, Phenidon, Soda, Kalilauge, Natriumsulfat, Kaliumbromid, Diäthanolamin, Methylglykol, ventrierte Heterocyclen sowie Phenylmercapto/tetracol und Neutrocyanine sowie Acometine. Nach Reaktion mit den Filmen waren im zurückbleibenden Schlamm verschiedene Reaktionssubstanzen vorhanden, so Hydrochinon-Monosulfonat, Hydrochinon-Disulfat, Kalium- und Natriumchlorid, Kalium- und Natriumbromid, Silberbromid, Natriumsulfat, Essigsäure und Spuren von Silber und Quecksilbersalzen. In der Zeit von 1974 bis 1977 war der Kläger Einwirkungen von Quecksilber ausgesetzt, weil ein mit Quecksilber gefüllter Glaskolben zerbrach und sich die Quecksilbermenge über Labortisch und Fußboden verteilte.
Im Jahre 1981 kam der Kläger mit Entwicklerflüssigkeit im Bereich des linken Mittelfingers in Berührung. Wegen eines in der Folgezeit entstandenen Exanthems machte der Kläger 1982 eine Hauterkrankung als BK bei der Beklagten geltend.
Bei dem Kläger traten erstmals 1966 Magenbeschwerden mit Nüchternschmerz auf. Der Kläger litt in der Folgezeit unter einem rezidivierenden Magengeschwürsleiden, das 1985 zu einer Magenoperation mit proximaler selektiver Vagotomie und Cardiaplastik führte. Im Jahre 1989 wurde eine Gallenblasenentfernung wegen einer chronischen Gallenblasenentzündung bei Gallensteinleiden vorgenommen. Die Erkrankung an Magen und Gallenblase machte der Kläger unter dem 10. November 1989 als BK gegenüber der Beklagten geltend und gab an, diese Gesundheitsstörungen seien auf die Einwirkung von Methylenchlorid, Formaldehyd und Quecksilber zurückzuführen.
Die Beklagte nahm eine von dem Arbeitgeber des Klägers erstellte Tabelle über Berufsstoffe, mit denen der Kläger Umgang hatte, zu den Akten und zog ärztliche Unterlagen über die Erkrankungen des Klägers bei.
Im Auftrag der Beklagten erstattete Prof. Dr. W, Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin an der I -L -Universität G, unter dem 9. August 1991 ein Gutachten zu der Frage, ob der Kläger unter einer BK leidet.
Der Sachverständige gelangte nach Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Erkrankung durch Methylenchlorid, Quecksilber, Formaldehyd und lokal irritativ-toxisch wirkender Substanzen lägen bei dem Kläger vor, insoweit seien die haftungsbegründenden Voraussetzungen erfüllt. Es fehle jedoch an der haftungsausfüllenden Kausalität.
Die Magenerkrankung des Klägers könne nicht auf die Einwirkung von Berufsstoffen zurückgeführt werden. Eine Magenerkrankung sei nicht in dem geltenden BK-Recht als BK eingebunden. Es gäbe auch keine Hinweise dafür, daß die Einwirkung von Methylenchlorid sich schleimhautschädigend auf den Magen- und Darmtrakt auswirke. Diesbezüglich lägen keinerlei Erkenntnisse vor.
Auch die Anerkenn...