Orientierungssatz
Parallelentscheidung zur Urteil des LSG Darmstadt vom 14.12.1995 - L 5 V 1221/94, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 06.11.1995; Aktenzeichen S-11/24/V-1857/93) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. November 1995 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1926 geborene Kläger hatte als ausländischer Staatsangehöriger seinen Wohnsitz in Sarajevo (Bosnien-Herzegowina). Seit dem 24. April 1992 lebt der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland (M.) als Kriegsflüchtling.
Erstmals am 17. März 1988 beantragte der Kläger die Gewährung von Beschädigtenversorgung und trug vor, Mitte 1944 durch die Explosion von liegen gelassenem Kriegsmaterial an beiden Armen schwer verletzt worden zu sein. Dies habe sich während Aufräumarbeiten (Zwangsarbeit) ereignet. Er sei deshalb zu 100 % körperbeschädigt und als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland anerkannt. Er erhalte dementsprechende Versorgung. Hierzu legte er u.a. eine Kopie des Bescheides vom 15. Mai 1987 des Zentrums für die Sozialarbeit in Sarajevo vor, aus der sich die Höhe der zivilen Invaliditätsrente ergibt.
Der Beklagte ermittelte in rechtlicher und medizinischer Hinsicht. Das Hessische Sozialministerium teilte mit Schreiben vom 8. März 1991 mit, daß die Voraussetzungen der §§ 1 bzw. 3 Abs. 1 Buchstabe b BVG als erfüllt anzusehen seien. Mit Bescheid vom 31. Oktober 1991 erkannte der Beklagte als Schädigungsfolge an:
“Verlust beider Arme in den Unterarmen, Narben am Brustkorb, am Bauch, am linken Unterarm sowie an beiden Ober- und Unterschenkeln”
und gewährte Beschädigtenversorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. nebst Schwerbeschädigtenzulage der Stufe I und Pflegezulage der Stufe III mit Wirkung ab 1. März 1988. Zur Begründung führt der Beklagte u.a. aus, daß die Leistung als sogenannte “Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 BVG bewilligt werde.
Diesen Bescheid nahm der Beklagte ohne vorherige Anhörung des Klägers mit Aufhebungsbescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück und führte zur Begründung aus, daß der Bewilligungsbescheid rechtswidrig sei, da eine Doppelversorgung gemäß § 7 Abs. 2 BVG unzulässig sei. Der Kläger erhalte bereits Rente als ziviles Kriegsopfer von seinem Heimatstaat und habe deshalb keinen weiteren Anspruch nach dem BVG. Die Aufhebung sei im öffentlichen Interesse geboten. Zugunsten der Interessen des Klägers sei bereits berücksichtigt worden, daß der Grund für das Zustandekommen des rechtswidrigen Bescheides in der Verantwortung der deutschen Verwaltung liege. Im Rahmen der Ermessensprüfung sei die persönliche Lage des Klägers berücksichtigt worden. Die Höhe der Versorgung des Heimatstaates könne nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, da auf diese wirtschaftlichen Verhältnisse deutsche Verwaltungsentscheidungen keinen Einfluß hätten.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, der Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß er einen Invalidenrentenanspruch gegenüber seinem Heimatstaat habe. Es sei völlig unklar, welche Staatsangehörigkeit er besitze. Er habe einen erheblichen Zeitraum seines bisherigen Lebens in Bosnien-Herzegowina verbracht, sei jedoch kroatischer Volkszugehörigkeit. Mittlerweile habe er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 1993 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Das Bundessozialgericht (BSG) habe am 20. Mai 1992 in zwei Urteilen (9 a RV 11/91 und 9 a RV 12/91) entschieden, daß die Einbeziehung nicht deutscher Zivilopfer in die Kriegsopferversorgung nach § 8 BVG nicht erlaubt sei, wenn der Beschädigte bereits einen Anspruch gegen seinen eigenen Staat habe. In diesen Fällen sei die Gewährung einer Zivilopferrente gemäß § 7 Abs. 2 BVG ausgeschlossen. Da den Kläger kein Verschulden an der Rechtswidrigkeit des Bescheides treffe, brauche er die gezahlten Leistungen nicht zurückzuerstatten. Für die Zukunft überwiege jedoch das öffentliche Interesse. Es sei bekannt, daß der Kläger schon in jungen Jahren schwer geschädigt worden sei und in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Dieser Umstand treffe bei Sozialleistungen vielfach zu und könne bei allem Verständnis nicht dazu führen, daß lebenslang fortgeführt werde, was nach dem Gesetz nicht hätte sein dürfen.
Am 2. August 1993 (Fax) hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und die Ansicht vertreten, daß die Entziehung von Versorgungsleistungen rechtswidrig sei und deshalb nicht hätte e...