Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Darmstadt vom 14.12.1995 - L 5 V 1221/94, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.12.1994; Aktenzeichen S-11/V-1274/94) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 1994 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1935 geborene Kläger hat als ausländischer Staatsangehöriger seinen Wohnsitz in der Republik Kroatien. Erstmals am 24. Februar 1989 beantragte er bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung und trug vor, am 25. März 1944 beim Viehhüten eine Handgranate gefunden zu haben, die beim Spielen dann explodiert sei. Aufgrund dieser Explosion habe er Verletzungen erlitten und das linke Auge verloren. Aufgrund dieses schädigenden Ereignisses sei er in seinem Heimatland Bosnien-Herzegowina als ziviles Kriegsopfer anerkannt und erhalte entsprechende Invalidenrente. Er legte u.a. einen Bescheid des Gemeindeausschusses S. vom 7. Januar 1977 vor, woraus sich ergibt, daß der Kläger zu 70 % körperlich infolge der Verletzung beschädigt ist.
Mit Bescheid vom 27. November 1991 erkannte der Beklagte als Schädigungsfolge “Verlust des linken Auges” an und gewährte Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. ab 1. Februar 1992. Zur Begründung führte er u.a. aus, daß die Leistung als sog. “Kannleistung” gemäß §§ 64 e Abs. 1 bzw. 64 Abs. 2 BVG bewilligt werde.
Diesen Bescheid nahm der Beklagte ohne vorherige Anhörung des Klägers mit Aufhebungsbescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück und führte zur Begründung aus, daß der Bewilligungsbescheid rechtswidrig sei, da eine Doppelversorgung gemäß § 7 Abs. 2 BVG unzulässig sei. Der Kläger erhalte bereits Rente als ziviles Kriegsopfer von seinem Heimatstaat und habe deshalb keinen weiteren Anspruch nach dem BVG. Die Aufhebung sei im öffentlichen Interesse geboten. Zugunsten der Interessen des Klägers sei bereits berücksichtigt worden, daß der Grund für das Zustandekommen des rechtswidrigen Bescheides allein in der Verantwortung der deutschen Verwaltung liege. Im Rahmen der Ermessensprüfung sei die persönliche Lage des Klägers berücksichtigt worden. Die Höhe der Versorgung des Heimatstaates könne nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, da auf diese wirtschaftlichen Verhältnisse deutsche Verwaltungsentscheidungen keinen Einfluß hätten.
Mit Schreiben vom 3. Oktober 1992 hatte der Kläger bereits um zusätzliche finanzielle Unterstützung gebeten, da die wirtschaftliche Lage in seiner Heimat sich erheblich verschlechtert habe. Mit Schreiben vom 1. April 1993 wiederholte der Kläger diese Bitte und mit weiterem Schreiben vom 21. Juni 1993 (eingegangen beim Versorgungsamt Fulda am 2. Juli 1993) erhob der Kläger Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 11. Januar 1993 und trug vor, daß er keinen Versorgungsanspruch gegen einen anderen Staat wegen der gleichen Schädigung habe. Er stamme aus Bosnien-Herzegowina und die Anschrift in Kroatien sei nur für die Post bestimmt. Die einzigen Einkünfte, über die er verfügt habe, seien die Versorgungsbezüge aus Deutschland gewesen. Durch Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 1994 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Da den Kläger kein Verschulden an der Rechtswidrigkeit des Bescheides treffe, brauche er die gezahlten Leistungen nicht zurückzuerstatten. Für die Zukunft überwiege jedoch das öffentliche Interesse. Es sei bekannt, daß der Kläger schon in jungen Jahren schwer geschädigt worden sei und in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Dieser Umstand träfe bei den Sozialleistungen vielfach zu und könne bei allem Verständnis nicht dazu führen, daß lebenslang fortgeführt werde, was nach dem Gesetz nicht hätte sein dürfen.
Am 13. April 1994 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und die Ansicht vertreten, daß die Entziehung der Versorgungsleistungen rechtswidrig sei und deshalb nicht hätte erfolgen dürfen. Er hat wiederholt, daß er völlig mittellos sei und keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen als ziviles Kriegsopfer mehr habe.
Mit Urteil vom 16. Dezember 1994 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt, eine Aufhebung hätte nur unter den Voraussetzungen des § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) erfolgen können. Entscheidend sei, daß der Beklagte von dem ihm nach § 45 Abs. 1 SGB X obliegenden Pflicht zur Ausübung sachgemäßen Ermessens keinen Gebrauch gemacht habe. Der Beklagte habe seine Entscheidung nicht auf den individuellen Einzelfall...