Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Alleingesellschafter. Ein-Personen-GmbH. Erbringung von Pflegedienstleistungen auf der Basis eines Dienstleistungsvertrages mit einer Krankenhausgesellschaft. Scheingeschäft. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein mit einer GmbH geschlossener Dienstleistungsvertrag, der nicht als Scheingeschäft nichtig ist, begründet kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit dem Alleingesellschafter der GmbH.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 15. Februar 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab dem 27.07.2015 (bis zum 18.01.2016) bei der St. R. Krankenhaus gGmbH sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Der 1954 geborene und mittlerweile berentete Kläger ist ausgebildeter Krankenpfleger. Er ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beigeladenen zu 5. Gegenstand dieser Gesellschaft sind: Erbringung aller Arten von Pflegedienstleistungen im ambulanten und stationären Bereich, Beratung im Bereich Alten- und Krankenpflege und der Gesundheitsvorsorge, Beratung von Institutionen und Einzelpersonen im Gesundheits- und Sozialwesen bei Fragen der Organisation und Kommunikation (GmbH-Vertrag vom 04.02.2009 der zunächst gegründeten E. GmbH, am 25.03.2015 wurde diese umfirmiert, der Gesellschaftszweck geändert und der Sitz verlegt).
Die St. R. Krankenhaus gGmbH betrieb ein Krankenhaus in D. Seit dem 28.04.2014 führt die Beigeladene zu 1 die Geschäfte; infolge des Vertrages vom 25.10.2016 ist die St. R. Krankenhaus gGmbH mit der Beigeladenen zu 1 verschmolzen.
Die St. R. Krankenhaus gGmbH und die Beigeladene zu 5 schlossen Dienstleistungsvereinbarungen für im Einzelnen benannte Tage in der Zeit vom 13.09.2015 bis 18.01.2016 bei einer Mindestarbeitszeit von 7 Stunden täglich auf der Intensivtherapiestation (Schwerpunkt Weaning) und einem Honorar pro Stunde von 40 € zuzüglich Zuschläge für Dienste am Wochenende, nachts und feiertags. Darüber hinaus wurde vereinbart:
§ 2 „Der Auftragnehmer ist mit Beginn des Einsatzzeitraums mit der eigenständigen und eigenverantwortlichen Planung, Durchführung, Dokumentation und Überprüfung der stationären Krankenpflege der zu pflegenden Patienten ggf. in Kooperation mit den angestellten Pflegedienstmitarbeitern/-innen sowie der behandelnden Ärzte der Patienten / der Patientinnen beauftragt. Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, seine Dienste in Person zu leisten. Er darf nach Absprache mit dem Auftraggeber Hilfspersonen heranziehen und Vertreter einsetzen, sofern diese die gleiche oder zumindest eine vergleichbare Qualifikation wie der Auftragnehmer selbst besitzen. (…)“
§ 3 „Die Parteien sind sich darüber einig, dass durch diese Vereinbarung zwischen ihnen kein Arbeitsverhältnis begründet werden soll. Der Auftragnehmer unterliegt (…) keine Weisungen des Auftraggebers. (…)“
§ 6 „Die zur Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Hilfsmittel, Werkzeuge und Materialien (insbesondere Einmal-Schutzhandschuhe aus Gummi/Latex) stellt die medizinische Fachkraft. Der Auftraggeber kann verlangen, dass er die o.g. Hilfsmittel, Werkzeuge und Materialien dem Auftragnehmer unentgeltlich zur Verfügung stellen kann. Der Auftragnehmer wird seine eigene Dienstkleidung einsetzen. Sollte der Auftraggeber spezielle Kleidung wünschen, so wird er diese dem Aufragnehmer unentgeltlich zur Verfügung stellen.“
§ 7 „Der Auftragnehmer darf auch für andere Auftraggeber tätig sein. Er ist befugt, am Markt aufzutreten. (…)“
§ 8 „(…) Ist der Auftragnehmer wegen Erkrankung oder aus sonstigen Gründen persönlicher Verhinderung nicht in der Lage, seine Dienstleistung persönlich zu erbringen und ist er auch nicht in der Lage, nach Absprache mit dem Auftraggeber gem. § 2 Abs. 2 Vertreter und/oder Hilfspersonen mit der Erbringung der medizinischen Dienstleistungen zu beauftragen, so ist er berechtigt, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen. (…)“
§ 10 „Gerichtsstand ist (…) das für den Wohnort des Auftragnehmers zuständige ordentliche Gericht.“
Nach der jeweiligen Zusatzvereinbarung waren sie sich einig, dass es sich nicht um Arbeitsverhältnisse handelt. Für den Fall, dass die Beklagte oder die Einzugsstelle dennoch ein Arbeitsverhältnis feststellen sollte, verpflichteten sich die Parteien gegenseitig, alle Rechtsmittel gegen diese Feststellung auszuschöpfen und sich dabei zu unterstützen, dass die Selbstständigkeit des Auftragnehmers gewahrt bleibt. Da der Auftragnehmer seine Vergütung auf der Basis seiner Selbstständigkeit berechnet habe, werde ein Regress des Auftraggebers an den Auftragnehmer für den Fall der Beitragspflicht für Sozialversi...