Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versicherungsfreiheit. Versicherungspflicht. Beamtenwitwe. Doppelversicherung. Gleichheitssatz
Leitsatz (amtlich)
1. § 6 SGB 5 bestimmt den Kreis der versicherungsfreien Personen abschließend. Als Ausnahmevorschrift zu § 5 SGB 5 (Versicherungspflicht) ist diese Norm einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich.
2. Die Witwe eines Beamten ist nicht versicherungsfrei, soweit sie neben der Hinterbliebenenrente noch Arbeitsentgelt aus einer abhängigen Beschäftigung erzielt.
3. Die unterschiedliche Behandlung von Hinterbliebenen, die ihren Rentenanspruch nur von befreiten Personen gemäß § 6 SGB 5 ableiten und solchen, die daneben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des GG.
Normenkette
SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nrn. 2, 6, Abs. 2-3; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 29.11.1990; Aktenzeichen S-10/Kr-1567/89) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. November 1990 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung.
Die Klägerin ist als Angestellte versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. Seit August 1985 erhält sie daneben Versorgungsbezüge nach ihrem verstorbenen Ehemann.
Ihren am 23. August 1989 gestellten Antrag auf Feststellung der Versicherungsfreiheit ihrer abhängigen Beschäftigung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. September 1989 ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 14. September 1989 Widerspruch ein. Sie habe als Witwe eines Beamten nach beamtenrechtlichen Grundsätzen im Krankheitsfall eine ausreichende Absicherung und sei deshalb ebenso versicherungsfrei wie der Beamte selbst.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 1989 zurück. Aufgrund der Beschäftigung als Sekretärin bestehe Versicherungspflicht in der Krankenversicherung. Ferner unterlägen die gezahlten Versorgungsbezüge der Beitragspflicht. Versicherungsfrei seien nur Beamte oder Pensionäre, die bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge oder auf Beihilfe bzw. Heilfürsorge hätten. Der Gesetzgeber habe Hinterbliebene nicht in den Kreis der versicherungsfreien Personen aufgenommen, so dass diese bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung auch krankenversicherungspflichtig würden.
Mit ihrer am 11. Dezember 1989 beim Sozialgericht Darmstadt erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.
Durch Urteil vom 29. November 1990 hat das Sozialgericht Darmstadt die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Gewährung von Witwenversorgung nach den gesetzlichen Bestimmungen kein Befreiungstatbestand für die daneben ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung sei. Kraft Gesetzes bestehe nur für Beamte selbst Versicherungsfreiheit. Diese könnten jetzt auch nicht mehr einer gesetzlichen Krankenversicherung beitreten. Wenn der Gesetzgeber auch die Hinterbliebenen eines Beamten von der Versicherungspflicht hätte befreien wollen, hätte dieser Wille im Gesetz Ausdruck finden müssen.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 20. Februar 1991 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 18. März 1991 - eingegangen beim Sozialgericht Darmstadt am 19. März 1991 - eingelegte Berufung, mit der sich die Klägerin unter Wiederholung ihres Rechtsstandpunktes gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichtes wendet. Auch die Witwe eines Beamten müsse wie dieser von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung befreit sein, da beide “versorgungsrechtlich” gleichstünden. Eine enge Auslegung des Gesetzes unter Ausschluss der Hinterbliebenen verstieße deshalb gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. November 1990 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. September 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 1989 aufzuheben und festzustellen, dass sie für ihre Beschäftigung als Angestellte wegen des Bezugs von Witwenversorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz in der Krankenversicherung versicherungsfrei ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Der Gesetzeswortlaut stehe einer erweiternden Auslegung hinsichtlich des Kreises der versicherungsfreien Personen entgegen. Eine unbeabsichtigte Gesetzeslücke liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe ab 1. Januar 1989 die Versicherungsfreiheit der Beamten auch auf daneben ausgeübte Beschäftigungen ausgedehnt, um einem rechtsmissbräuchlichen Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung entgegenzuwirken. Diese Gefahr sei bei Hinterbliebenen nicht gesehen worden. Vielm...