Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht eines Projektleiters auf dem Bau. Inhaber einer Ein-Personen-Limited. Auftragstätigkeit. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Abgrenzung. Gründung einer Ein-Personengesellschaft nach englischen Rechtsvorschriften. Niederlassungsfreiheit
Orientierungssatz
1. Eine nach englischen Rechtsvorschriften ordnungsgemäß als Ein-Personengesellschaft gegründete Firma ist nicht als wirtschaftlich inaktiv anzusehen, wenn sie kein Stammkapital besitzt. Im Gegensatz zur deutschen GmbH ist dies nach englischem Recht für die Gründung ebenso wenig notwendig wie notarielle Beurkundungen, da solche Gesellschaften nach Art 43 und 48 des EG-Vertrags auch für Deutschland die Niederlassungsfreiheit genießen.
2. Ein Inhaber einer Ein-Personen-Limited, der auf Grund eines Werkvertrags als Bauleiter für andere Firmen tätig ist und hierbei über den Einsatz der Produktionsmittel sowie der Mitarbeiter hinaus die Zuständigkeit für Kalkulation, eigenständige Abwicklung des Bauvorhabens, die Abnahme und die Abrechnung der Gewerke hat und für Mängel bei der Projektleitung haftet, unterliegt nicht der Sozialversicherungspflicht als abhängig Beschäftigter, auch wenn die Vergütung teilweise nach Zeitaufwand abgerechnet wird.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. März 2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 6. November 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2001 aufgehoben, soweit die Beklagte Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. zur Renten- und Arbeitslosenversicherung festgestellt und für ihn Beiträge einschließlich Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz nachgefordert hat.
Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Februar 1998 bis zum 30. September 2000 von der Klägerin Beiträge für den Beigeladenen zu 1. aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachfordern darf.
Die Klägerin ist ein Bauunternehmen für Hoch-, Tief- und Stahlbetonbau. Mit der Firma G. H., vertreten durch den Beigeladenen zu 1., hatte die Klägerin im Jahr 1998 Werkverträge über die Projektierung der Montage von Bauwerken geschlossen.
Der Beigeladene zu 1. ist gelernter Stahl- und Betonbauer; er hat 1974 die Meisterprüfung in diesem Beruf bestanden und ist seitdem freiberuflich als Projektleiter für verschiedene Auftraggeber tätig gewesen. Die Firma G., eine Gesellschaft für Betonbau und Mauerwerksarbeiten, hatte der Beigeladene zu 1. als Einpersonengesellschaft mit einem Stammkapital von zwei englischen Pfund am 1. Dezember 1993 in London gegründet. Am 11. Februar 1997 wurde die Firma im englischen Company Register gelöscht, am 14. Januar 1999 in H neu gegründet. Der Geschäftssitz der Firma beziehungsweise ihre Betriebsstätte ist bis zu ihrer endgültigen Löschung im Jahr 2003 in Deutschland gewesen; sie war dort bei dem zuständigen Finanzamt gemeldet. Der Beigeladene zu 1. war zu 100 % Shareholder und Generalbevollmächtigter der G.
In Erfüllung der Werkverträge war der Beigeladene zu 1. für die G in dem Zeitraum vom 1. Februar 1998 bis 30. September 2000 auf Baustellen der Klägerin tätig, richtete diese ein und nahm die Projektierung der Montage der Bauwerke vor. Die Abrechnung erfolgte teilweise nach Stunden, teilweise nach Ausmaß. Der Beigeladene zu 1. war während der Tätigkeit privat krankenversichert und hatte auch eine private Altersvorsorge abgeschlossen.
Aufgrund einer Betriebsprüfung, die den Prüfzeitraum vom 1. Januar 1996 bis 30. September 2000 umfasste, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 6. November 2000 hinsichtlich der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. Februar 1998 bis 30. September 2000 fest. Die von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen, u. a. Anfragen bei der Bundesanstalt für Finanzen, Informationszentrale Ausland, Bonn, hätten ergeben, dass es sich bei dem von der Klägerin eingesetzten Werkvertragsunternehmen, der Firma G. H. um ein wirtschaftlich inaktives Unternehmen, eine Briefkastenfirma, gehandelt habe. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 1998 sei keine Firma unter diesem Firmennamen registriert gewesen sei, so dass die Werkverträge schon aus diesem Grund nichtig seien. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei im Übrigen zu beachten, dass abweichend von anders lautenden vertraglichen Abreden kein Werkvertrag, sondern eine Arbeitnehmerüberlassung vorliege, wenn der ausländische Werkvertragsunternehmer nicht über die betrieblichen, technischen oder personellen Voraussetzungen verfüge, um die Tätigkeit der - von ihm zu Erfüllung vertraglicher Pflichten im Betrieb des Dritten eingesetzten - Arbeitnehmer vor Ort zu organisieren und ihnen Weisungen zu ert...