Entscheidungsstichwort (Thema)
SGB II
Leitsatz (amtlich)
Ein vom Leistungsträger zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten erstelltes Konzept ist unschlüssig, wenn die hierfür verwendeten Daten nicht repräsentativ für den zu beurteilenden Wohnungsmarkt sind.
Die Repräsentativität der Daten ist nicht gegeben, wenn sie die Vermieterstruktur des Vergleichsraums nicht hinreichend wiedergeben. Die Stichprobenauswertung muss insbesondere die unterschiedlichen Vermietergruppen entsprechend ihres Anteils am Wohnungsmarkt enthalten oder eine entsprechende Gewichtung der vorhandenen Daten vornehmen.
Sofern im Rahmen der Datenauswertung eine Gewichtung vorgenommen wurde, muss diese im Konzept transparent und nachvollziehbar offen gelegt werden.
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich können unzutreffende Angaben des Grundsicherungsträgers zur Angemessenheit des Wohnraums einen Anspruch auf Übernahme zu hoher Kosten der Unterkunft auf Grund des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 begründen. Dies jedoch nur, wenn diese fehlerhaften Angaben zur Unmöglichkeit von Kostensenkungsmaßnahmen führen (vgl BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R = BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19).
2. Zur Frage nach dem Vorliegen einer subjektiven Unzumutbarkeit einer Kostensenkung mit Verweis auf eine erforderliche Pflege des Großvaters, den Besuch der Tochter im nahegelegenen Kindergarten sowie eigene gesundheitliche Einschränkungen wie die Teilnahme an einer ambulanten Therapie im Suchthilfezentrum inklusive Methadonprogramm.
3. Zum Nachweis hinreichender Kostensenkungsbemühungen durch den Leistungsberechtigten.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. Juli 2017 abgeändert und der Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 10. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2014 verurteilt, der Klägerin im Zeitraum 1. Februar bis 31. Juli 2014 Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 221,10 Euro bruttokalt zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen je zur Hälfte zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung höherer Kosten für die Unterkunft im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum Februar bis einschließlich Juli 2014 streitig.
Die 1985 geborene Klägerin stand im streitigen Zeitraum mit ihrer 2009 geborenen Tochter bei dem Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II. Sie lebte zusammen mit ihrer Tochter in einer 56 Quadratmeter großen Mietwohnung in A-Stadt, für welche im maßgeblichen Zeitraum eine Grundmiete von 370,37 Euro zuzüglich kalter Betriebskosten von 117,00 Euro (60,00 Euro Betriebskosten zzgl. 57,00 Euro für Wasser und Abwasser) sowie Heizkosten von 64,00 Euro monatlich zu zahlen waren.
Mit einem Schreiben vom 17. Juni 2013 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass er die Bruttokaltmiete für die von der Klägerin und ihrer Tochter bewohnten Wohnung für unangemessen hoch halte und diese deshalb längstens noch bis zum 31. Dezember 2013 in tatsächlicher Höhe übernehmen werde. Nach den für den Landkreis A-Stadt geltenden Richtlinien sei für zwei Personen eine Bruttokaltmiete von 392,23 Euro angemessen. Die Klägerin werde deshalb aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2013 Kostensenkungsmaßnahmen wie etwa den Umzug in eine günstigere Unterkunft, die Untervermietung von Räumen oder die Verhandlung mit dem Vermieter über Mietsenkungen vorzunehmen und in geeigneter Weise zu belegen. Ebenfalls zu belegen seien mögliche Gründe die gegen die Zumutbarkeit kostensenkender Maßnahmen sprächen. Für den Fall, dass die Klägerin keine Kostensenkungsmaßnahmen ergreife, werde ab dem 1. Januar 2014 eine tatsächliche Absenkung der anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung auf den angemessenen Betrag in Höhe von derzeit 456,23 Euro (392,23 Euro zzgl. 64,00 Euro tatsächliche Heizkosten) vorgenommen.
Mit einem Schreiben vom 4. November 2013 erinnerte der Beklagte die Klägerin nochmals an die beabsichtigte Absenkung der Unterkunftskosten aufgrund der unangemessen hohen Bruttokaltmiete.
Mit einem Bescheid vom 10. Januar 2014 verfügte der Beklagte sodann die Absenkung der Kosten für die Unterkunft und Heizung ab dem 1. Februar 2014 auf insgesamt 455,54 Euro monatlich für die Klägerin und ihre Tochter. Angemessen sei nach den Richtlinien des Landkreises A-Stadt nur eine Bruttokaltmiete von 391,54 Euro, und die Klägerin habe in dem Zeitraum vom 17. Juni 2013 bis heute ein intensives Bemühen um günstigeren Wohnraum nicht nachgewiesen. Nach den Erhebungen des Beklagten hätte es jedoch in dem genannten Zeitraum hinreichende Angebote für angemessene Wohnungen gegeben. Mit Bewilligungsbescheid vom gleichen Tag bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter zudem für den Zeitraum 1. Februar bis 31. Juli 2014 Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 367,54 Euro monat...