Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Tätigkeit eines Arztes für die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (HEAE). ambulante Behandlung von Flüchtlingen. Durchführung von Erstuntersuchungen und Beurteilung von Erstuntersuchungsbefunden. Infektionsschutz. Vereinbarung. Auftragsverhältnis. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Orientierungssatz
Zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit als Arzt für die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (HEAE), der dort hauptsächlich Aufgaben im Bereich der ambulanten Behandlung von Flüchtlingen, vereinzelt aber auch bei der Durchführung von Erstuntersuchungen bzw der Beurteilung von Erstuntersuchungsbefunden und des Infektionsschutzes übernommen hat (hier: abhängige Beschäftigung).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. November 2021 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens [§ 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)] über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses hinsichtlich der für den Kläger erbrachten Tätigkeit des Beigeladenen als Arzt.
Der 1957 geborene Beigeladene ist Facharzt für Innere Medizin, seit 1. Januar 2000 als Facharzt vertragsärztlich zugelassen und für eine konkret benannte Tätigkeit in den Städtischen Kliniken Darmstadt aufgrund Befreiungsbescheid vom 13. November 1989 von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreit; eine Befreiung für die hier streitige Tätigkeit liegt nicht vor. Der Beigeladene war in unterschiedlichen Zeiträumen zwischen Oktober 2015 und August 2019 (Bl. 250 der Gerichtsakte) für die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (HEAE) als Arzt tätig und übernahm hauptsächlich Aufgaben im Bereich der ambulanten Behandlung von Flüchtlingen, vereinzelt auch bei der Durchführung von Erstuntersuchungen bzw. der Beurteilung von Erstuntersuchungsbefunden und des Infektionsschutzes. Die Tätigkeit des Beigeladenen erfolgte auf der Grundlage eines als „Vereinbarung“ überschriebenen Vertrages vom 29. September 2015. Die Vereinbarung lautete wie folgt:
„§ 1 Vertragsgegenstand und Status des Vertragspartners
(1) Der Vertragspartner erbringt medizinische Dienstleistungen im Auftrag der HEAE im D-Straße, D-Stadt und in der Außenstelle in C-Stadt in freiberuflicher Tätigkeit im Bedarfsfälle. Er ist nicht in die Arbeitsorganisation der HEAE eingegliedert. Das Entgelt erfolgt fallbezogen. Die Dienstleistungen unterliegen nicht der Sozialversicherungspflicht (Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung).
(2) Die nachfolgende Vereinbarung regelt für den Fall eines Einsatzes die Rahmenbedingungen.
(3) Der Vertragspartner legt als Nachweis über die Zulassung zur Berufsausübung eine Kopie der Approbationsurkunde vor.
§ 2 Leistungen des Vertragspartners während der vereinbarten Einsatzzeit
(1) Der Vertragspartner übernimmt die ambulante medizinische Versorgung für Ausländer, die in der HEAE untergebracht sind, im Rahmen der Vorgaben nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (Anlage 1). Dazu gehört
• die Behandlung von Krankheiten, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen, soweit dies ambulant möglich ist,
• Anordnung von Überweisungen an Fachärzte bzw. Einweisungen in Kliniken
• Dokumentation aller ärztlichen Leistungen (in der Patientendatei der HEAE) unter Beachtung des Datenschutzes.
(2) Er übernimmt zudem Aufgaben, die sich maßgeblich aus den § 62 Asylverfahrensgesetz sowie § 36 Infektionsschutzgesetz und der dazu jeweils getroffenen Erlassregelungen des Hess. Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit (zurzeit Erlass vom 04.02.2009, Az.: IV 6 A 58a 0101-0002/2008/001 -StAnz. 2009 S. 544 - Anlage 2) zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten ergeben. Die Erstuntersuchung beinhaltet gemäß beigefügtem Erlass über die ärztliche Untersuchung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und anderen Personen nach Einreise in Hessen vom 04.02.2009 (siehe Anlage 2)
1. Aufnahme und Dokumentation der bestehenden Medikation
2. Rezeptur der notwendigen Medikation
3. Anamnese, Diagnostik und Dokumentation einer akut beklagten Erkrankung. Während der Erstuntersuchung erbrachte Ambulanzleistungen werden nicht zusätzlich vergütet. Ausgenommen von der Erstuntersuchung sind die Röntgenuntersuchungen. Erforderlichenfalls hat der Vertragspartner alle erforderlichen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz einzuleiten.
(3) Der Vertragspartner führt die vertraglichen Leistungen zeitlich nach Vereinbarung durch.
(4) Ein Not- oder Bereitschaftsdienst des Vertragspartners außerhalb der vereinbarten Präsenzzeiten ist nicht vorgesehen.
§ 3 Leistungen der HEAE
(1) Die HEAE stellt dem Vertragspartner adäquate Räumlichkeiten, Geräte, In...