Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Sachleistungsanspruch für eine ambulant durchgeführte Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems an Armen und Beinen. kein Systemversagen
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Systemversagens bei der Liposuktion bei Lipödem-Syndromen.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl BSG vom 7.11.2006 - B 1 KR 24/06 R = BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Liposuktion (Absaugung von Fettdepotansammlungen) mit sechs Behandlungseinheiten.
Die 1974 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an einem Lipödem-Syndrom der Beine und Arme. Unter Beifügung einer ärztlichen Bescheinigung von Dr. QQ., Oberarzt der Hautklinik des Klinikums B-Stadt, vom 9. Dezember 2010 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für die Durchführung einer Liposuktion in Tumeszenz-Lokalanästhesie. Dr. QQ. führte insoweit aus, dass die Behandlung in sechs Sitzungen (vier Sitzungen für die Beine, zwei Sitzungen für die Arme) ambulant durchgeführt werden könne und sich die Kosten hierfür auf ca. 2.604,16 € je Sitzung beliefen. Die Behandlung sei indiziert und wirtschaftlich, da die Kompressionstherapie und Lymphdrainagen nur gegen das Ödem wirkten und langfristig gesehen deutlich kostenintensiver seien. Mit Bescheid vom 6. Januar 2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme ab. Die Liposuktion gehöre zu den so genannten neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der Gemeinsame Bundesausschuss müsse feststellen, ob bei der Liposuktion ein diagnostischer oder therapeutischer Nutzen nachgewiesen werden könne. Eine diesbezügliche Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses liege bisher noch nicht vor. Auf den von der Klägerin am 9. März 2011 erhobenen Widerspruch, dem sie ein Widerspruchsattest von Dr. QQ. vom 3. März 2011 beifügte, holte die Beklagte eine sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), Dr. WW. vom 12. April 2011 ein und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2011 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 30. Juni 2011 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass das Lipödem nach einer Schwangerschaft erstmalig aufgetreten sei. Sie leide aufgrund des Lipödems unter Schmerzen, die auch ihre Arbeitsfähigkeit einschränkten, und im Sommer unter wunden Stellen an den Schenkelinnenseiten. Seit der Diagnostizierung des Lipödems 2006 trage sie konsequent die Kompressionsbestrumpfung, was die Beschwerden jedoch nur geringgradig verbessert habe. Trotz Fitnesstraining und gesunder Ernährung sei insoweit nur ein geringer Erfolg erzielt worden, so dass sie nach wie vor unter einer Druckdolenz und einem Ruheschmerz in den betroffenen Bereichen, einer Fettkragenbildung über den Gelenken und einem disproportionierten Körper trotz eines Übergewichtes leide. Die einzig Erfolg versprechende Behandlungsmethode sei eine Liposuktion. Zudem liege ein Systemversagen vor. Ein nicht zeitgerecht durchgeführtes Anerkennungsverfahren stelle einen Unterfall des Systemmangels dar. Es bestünden keine Behandlungsmethoden, die ähnlich Erfolg versprechend wirkten. Die Kompressionstherapie und die Lymphdrainagen wirkten nur gegen das Ödem selbst, nicht jedoch gegen das Krankheitsbild an sich. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass eine Kostenübernahme bei der unkonventionellen Methode, bei der der Gemeinsame Bundesausschuss keine Empfehlung ausgesprochen habe, nicht in Betracht komme, festgehalten. Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Darmstadt mit Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2011 die Klage abgewiesen. Als nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss empfohlene neue Methode sei die ambulante Fettabsaugung bei Lipödemen grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der GKV. Es liege zudem kein Seltenheitsfall vor und Anhaltspunkte für ein Systemversagen seien nicht ersichtlich. Auch unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich unter dem Blickwinkel einer grundrechtsorientierten Auslegung wegen einer regelmäßig tödlich verlaufenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung kein Anspruch. Ein Anspruch auf Kostenübernahme scheide im Ergebnis auch deshalb aus, weil die Therapie weder zweckmäßig noch notwendig sei. Bisher seien die konservativen Behandlungsmethoden auch noch nicht ausgeschöpft. So weise Dr. WW. im Rahmen seines Gutachtens vom 12. April 2011 auf die Möglichkeit einer manuellen Lymphdrainage-Therapie als kontinuierliche Dauerbehandlungsmaßnahme, die Behandlung in einer lymphologischen Fachklinik und die Verordnung eines 12-Kammer-Expressionsgerä...