Verfahrensgang
SG Gießen (Urteil vom 25.03.1996; Aktenzeichen S-3/U-1161/94) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25. März 1996 aufgehoben und die Klagen abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.
Kläger sind die Ehefrau und die drei minderjährigen Kinder des am 21. April 1959 geborenen und am 4. März 1993 verstorbenen R. H.. Dieser war als Servicetechniker im Außendienst bei der Firma R. GmbH, D., beschäftigt und aufgrund dieser Tätigkeit bei der Beklagten gegen Arbeitsunfall versichert.
Am 4. März 1993 verließ der Versicherte wie üblich um ca. 515 Uhr seine Wohnung in G. E. und fuhr mit einem Firmenwagen – VW Golf – nach N.-I., um seinen Kollegen abzuholen. Gemeinsam setzten sie die Fahrt zur Firma O. in E. fort. Nach Beendigung dort ausgeführter Arbeiten um 14(30) Uhr traten der Versicherte und sein Arbeitskollege die Heimreise an. Sie kamen gegen 15(30) Uhr in N.s.. Der Versicherte fuhr danach allein in die Firmenniederlassung nach R. um dort das Firmenfahrzeug für den nächsten Tag zu beladen. Nach Auskunft des Arbeitgebers verließ der Versicherte höchstwahrscheinlich zwischen 16(00) und 16(15) Uhr das Betriebsgelände, um seine 110 km lange Heimfahrt anzutreten. Die Fahrtdauer gab der Arbeitgeber mit maximal 1 ½ Stunden an.
Als der Versicherte am Abend die Kreisstraße aus Richtung M. R. in Richtung G.-E. befuhr, kam er in einer Rechtskurve bei km 1,150 nach links von der Fahrbahn ab, fuhr eine ca. 2 m tiefe Böschung hinunter und prallte gegen einen Baum. Aufgrund seiner schweren Verletzung verstarb der Versicherte noch am Unfallort. Der Verkehrsunfall wurde bei der Polizeistation in Alsfeld um 21(02) Uhr telefonisch gemeldet. Es wurde nicht vermerkt, von welcher Person oder welchem Ort diese Unfallmeldung kam. Der Versicherte wurde am 10. März 1993 beerdigt, ohne daß vorher eine Blutalkoholuntersuchung durchgeführt worden war.
Der Zeuge A. P. gab anläßlich seiner polizeilichen Vernehmung am 11. März 1993 an, er habe den Firmenwagen der Firma R. am Donnerstag gegen 20(30) Uhr bei der Gaststätte „Zum Reichsadler” in R. stehen sehen. Er habe deshalb die Gaststätte aufgesucht, um den Versicherten zu begrüßen. Dieser habe dort am Stammtisch gesessen. Ein dem Versicherten angebotenes Getränk habe dieser abgelehnt und zu verstehen gegeben, daß er ziemlich fertig sei. Ob dieser Zustand arbeits- oder alkoholbedingt gewesen sei, wisse er nicht. Sein Angebot, den Versicherten nach Hause zu fahren, habe dieser abgelehnt. Er sei dann nach Hause gefahren, um seine vergessene Geldbörse zu holen. Als er wieder in die Gaststätte zurückgekehrt sei, sei der Versicherte nicht mehr dort gewesen. Soweit er an der Unfallstelle vor der Polizei geäußert habe, der Versicherte habe einen schwankenden Gang gehabt, wisse er dies nur vom Hörensagen. Die Wirtsleute der Gastwirtschaft „Zum Reichsadler” konnten auf Befragen seitens der Beklagten keine genauen Angaben machen, in welcher Zeit sich der Versicherte in der Gaststätte aufgehalten und wieviel dieser dort getrunken hat. Die Klägerin zu 1) legte der Beklagten eine schriftliche Aussage des Zeugen G. M. vor, in der dieser bekundet, er habe den Versicherten gegen 18(30) Uhr am Straßenrand hinter M. F. in Richtung R. gesehen. Der Versicherte habe eine Panne gehabt und erzählt, daß er schon einige Zeit an dieser Stelle „festsitze”, der Schaden sei jedoch gleich behoben. Die Beklagte ließ den Zeugen M. durch die Ortspolizeibehörde der Gemeinde M. vernehmen. Dieser machte telefonische Angaben.
Mit Bescheiden vom 22. November 1993 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie lehne wegen des Ereignisses vom 4. März 1993 die Gewährung von Leistungen ab, weil die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall nicht gegeben seien. Zwar gelte als Arbeitsunfall ein Unfall auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Der Versicherungsschutz entfalle jedoch für den Rest des Heimwegs, wenn der Heimweg aus eigenwirtschaftlichen Gründen länger als zwei Stunden unterbrochen werde. Der Verstorbene habe den Heimweg gegen 16(15) Uhr angetreten. Bei einer Fahrstrecke von ca. 110 km habe er die Unfallstelle höchstens 1,5 bis 2 Stunden später passieren müssen, also spätestens um 18(15) Uhr. Verkehrsstörungen wie Staus, die die Fahrzeit hätten verlängern können, seien nach Auskunft der Fernmeldestelle der hessischen Polizei für den Unfalltag auf den für den Heimweg in Betracht kommenden Straßen nicht registriert worden. Lediglich auf der Bundesautobahn A 5 Frankfurt am Main Richtung Kassel habe es zwischen Butzbach und Fernwald zwischen 17(56) und 18(06) Uhr in Höhe des Gambacher Kreuzes stockenden Verkehr gegeben. Wenn der Verstorbene um 18(30) Uhr im Begriff gewesen sei, die Fahrt fortzusetzen, habe er bei einer Entfernung von ca. 3–4 km zur Gaststätte in R. Gaststätte spätestens um 18(35) Uhr erreichen müssen. Aufgrund der Auss...