Entscheidungsstichwort (Thema)

Überbrückungsübergangsgeld nach einer medizinischen Rehabilitation und vor Beginn einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben

 

Orientierungssatz

1. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht (§ 51 Abs 1 SGB 9) können nur solche sein, die in einer Einrichtung “stationär„ durchgeführt werden und nicht von dem Willen eines Dritten (des Arbeitgebers) abhängig sind.

2. Im Falle der grundsätzlich bestehenden Notwendigkeit von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist im Anschluss an medizinischen Leistungen während der Orientierungs- und Findungsphase Übergangsgeld zu leisten, jedenfalls wenn der Zeitablauf nicht auf Gründen beruht, die der Versicherte zu vertreten hat. Der dem Rehabilitationsträger obliegende Sicherstellungsauftrag gebietet es, die in Betracht kommenden rechtlichen Möglichkeiten und Maßnahmen umfassend zu prüfen. Erst mit der Feststellung und Bewilligung der notwendigen Teilhabeleistungen ist geklärt, ob Leistungen, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen, erforderlich sind.

 

Normenkette

SGB VI § 9 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 1 S. 1, §§ 16, 20 Nr. 1, § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGB IX § 33 Abs. 3 Nrn. 1-2, 2a, 3-4, § 51 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 4; AVG § 18e Abs. 1; RVO § 1241e Abs. 1; RehaAnglG § 5 Abs. 3

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 31. Juli 2012 sowie der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 geändert und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 14. Oktober 2010 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger auch für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 26. März 2008 Übergangsgeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung weiteren Übergangsgeldes nach Durchführung einer medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation streitig.

Der 1963 geborene Kläger hielt sich in der Zeit vom 10. bis 31. Januar 2008 in der Klinik Sonnenblick in Marburg zur Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme auf. Während der Maßnahme bezog er Übergangsgeld. Nach den Angaben im Entlassungsbericht vom 13. Februar 2008 wurde der Kläger als arbeitsunfähig entlassen und zu der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung weiter ausgeführt, der Kläger könne seine letzte berufliche Tätigkeit als Maschinenarbeiter in einem Dreischichtbetrieb nur noch unter drei Stunden täglich verrichten. Leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien ihm bei Beachtung von qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Berufsförderungsmaßnahmen sollten geprüft werden.

Auf den Antrag des Klägers vom 26. Februar 2008 bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 5. März 2008 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach. Wegen Art und Umfang der Leistungen müsse zunächst ihr Reha-Fachberatungsdienst eingeschaltet werden. Durch weiteren Bescheid vom 26. März 2008 stellte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Aussicht. Insofern komme eine innerbetriebliche Umsetzung in Betracht. Die Beklagte behielt sich den Widerruf des Bescheides vor und teilte ergänzend mit, ihre Zusage gelte bis zum 31. März 2010.

Die Beklagte kontaktierte sodann die KompetenzGemeinschaft Rehabilitation Hessen in Marburg im Hinblick auf das dortige Leistungsangebot Case-Management und teilte dem Kläger durch Bescheid vom 17. Juni 2008 mit, sie bewillige die Teilnahme an Leistungen zur Erhaltung des Beschäftigungsverhältnisses (Case-Management) “als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben„ für die Dauer von höchstens sechs Monaten ab dem 28. April 2008. Der Bescheid enthält den Hinweis “An der Maßnahme werden Sie als Pendler teilnehmen. …„. In der Folgezeit stellte sich jedoch heraus, dass die angestrebte innerbetriebliche Umsetzung des Klägers nach Qualifizierung angesichts eines Stellenabbaus durch den Arbeitgeber infolge Outsourcing nicht möglich war. Die KompetenzGemeinschaft Rehabilitation Hessen erklärte am 14. Juli 2008 das Case-Management für gescheitert.

Nachdem der Kläger daraufhin sein Interesse an einer Weiterbildung zum Fahrlehrer geäußert hatte, veranlasste die Beklagte die Durchführung eines entsprechenden Berufseignungstests, den der Kläger nach den Mitteilungen der C. GmbH im Schreiben vom 28. August 2008 jedoch nicht bestand. Im Rahmen eines Beratungsgesprächs vom 25. September 2008 erklärte der Kläger, er sehe derzeit keine beruflichen Alternativen und werde versuchen, sich um leidensgerechte Arbeitsplätze zu bewerben. Sofern er keine Arbeitsstelle finde, werde er sich wieder melden.

Die Bemühungen des Klägers um einen Arbeitsplatz blieben erfolglos. In einem weiteren Beratungsges...

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