Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Wohnungsbeschaffungskosten. keine Übernahme der Kosten der notariellen Beurkundung eines Kaufvertrags und der Grundschuldbestellung für eine Eigentumswohnung. keine Unterkunftskosten iS von § 22 Abs 1 SGB 2

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kosten für einen notariellen Wohnungskaufvertrag sind keine Wohnungsbeschaffungskosten iS des § 22 Abs 3 S 1 SGB 2.

2. Bei Leistungen nach § 22 Abs 3 SGB 2 handelt es sich um lediglich ergänzende Leistungen für den Grundbedarf des Wohnens, der im Blick auf das im Rahmen des SGB 2 bestehende Spannungsverhältnis zwischen akuter Existenzsicherung auf der einen Seite und der Vermögensbildung auf der anderen Seite gerade zu dieser hin abzugrenzen ist.

3. Kosten für einen notariellen Wohnungskaufvertrag hängen im Kern mit der Erzielung bzw dem Erwerb von Eigentum zusammen und nur "bei Gelegenheit" mit der Beschaffung von Wohnraum.

 

Orientierungssatz

§ 22 Abs 1 S 1 SGB 2 dient dem Schutz der Wohnung als räumlichen Lebensmittelpunkt und dem Schutz des existentiellen Grundbedarfs des Wohnens. Die Aufwendungen müssen deshalb für die Sicherung und den Erhalt der Unterkunft erforderlich und angemessen sein; es muss die Bewohnbarkeit der Unterkunft hergestellt oder aufrecht erhalten werden. Dies ist bei Kosten, die anlässlich des Erwerbs von Wohnungseigentum entstehen, nicht der Fall.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.03.2012; Aktenzeichen B 14 AS 271/11 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 4. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für einen notariellen Wohnungskaufvertrag in Höhe von 879,83 Euro.

Der 1974 geborene Kläger bezog seit 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Nach dem Bezug von Krankengeld erhält der Kläger seit April 2011 eine Rente wegen Erwerbsminderung, auf die er seit August 2010 Anspruch hat. Mit Bescheid vom 31. Januar 2006 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Kaltmiete seiner Wohnung zu hoch sei und ab dem 1. April 2007 nur noch eine angemessene Kaltmiete als Bedarf anerkannt werde. Am 19. Juni 2007 schloss der Kläger einen notariellen Wohnungskaufvertrag in Höhe von 55.000,00 Euro für eine Dachgeschosswohnung in A-Stadt ab. Die Finanzierung des Kaufs der Eigentumswohnung unter Einschluss der Notarkosten erfolgte mittels Darlehen der X-Bank und der Sparkasse C. Im August 2007 übersandte der Kläger dem Beklagten u. a. den notariellen Wohnungskaufvertrag vom 19. Juni 2007 und beantragte die Übernahme der Umzugskosten. Am 20. September 2007 legte der Kläger die Kostennote des Notars vom 11. September 2007 in Höhe von 879,83 Euro nebst einem entsprechenden Überweisungsvordruck vor. Der Beklagte wies mit Bescheid vom 16. Oktober 2007 den Kläger darauf hin, dass eine Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft nicht erteilt werden könne, da er die Zusicherung erst nach Abschluss des Vertrages über die neue Unterkunft beantragt habe. Auf den Widerspruch des Klägers vom 1. November 2007 anerkannte der Beklagte mit Schreiben vom 17. Dezember 2007 u. a. die Schuldzinsen in Höhe von 253,63 Euro als Unterkunftskosten an und bewilligte dem Kläger antragsgemäß mit Bescheid vom 11. Februar 2008 263,55 Euro für den Umzug sowie 150,00 Euro an Renovierungskosten. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2008 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers bezüglich der Notarkosten zurück. Der Kläger habe zwar die vorherige Zustimmung des Beklagten nicht eingeholt. Die Zustimmung hätte jedoch erteilt werden müssen, da der Umzug erforderlich gewesen sei und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen seien. Eine Übernahme der Notarkosten scheide jedoch aus, da der Kläger eine Eigentumswohnung gekauft habe, obwohl auf dem Wohnungsmarkt ausreichend Mietwohnungen für einen Zwei-Personen-Haushalt vorhanden seien. Sinn und Zweck der Grundsicherung für Arbeitsuchende biete keine Grundlage, um Leistungen mit unmittelbar vermögensbildender Wirkung zu gewähren.

Hiergegen hat der Kläger am 20. März 2008 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Notarkosten Kosten seien, die unmittelbar mit seinem Umzug verbunden gewesen seien und deshalb als zwangsläufig entstehende Aufwendungen für die Wohnungsbeschaffung anzusehen und von dem Beklagten zu übernehmen seien. Eine Differenzierung zwischen Mietwohnung und Eigentumswohnung bei der Wohnungsbeschaffung sei insoweit nicht sachgerecht. Den Notarkosten käme keine unmittelbar vermögensbildende Wirkung, wie etwa den Tilgungsraten, zu, weshalb sie mit der Maklergebühr zu vergleichen seien. Trotz Anmeldung bei der A-Stadt. Wohnungsgesellschaft und der D. habe ihm kein angemessener Wohnraum zur Verfügung gestellt werden können. Seit März 2007 habe der Beklagte zudem ...

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