Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Ruhen des Anspruchs bei Erhalt von Arbeitsentgelt. Mehrfachbeschäftigte
Leitsatz (amtlich)
1. § 189 RVO ist keine Ruhens- bzw. Anrechnungsvorschrift für während der Arbeitsunfähigkeit erzielt Arbeitsentgelt schlechthin.
2. Der Anspruch auf Krankengeld ruht nach dieser Bestimmung grundsätzlich nur bei gleichzeitigem Zufluß von Arbeitsentgelt, das sich als Gegenleistung für eine Arbeitsleistung des Versicherte im Rahmen und in den Grenzen desjenigen Beschäftigungsverhältnisses darstellt, aufgrund dessen der Anspruch auf Krankengeld begründet wird.
3. Übt ein Versicherter regelmäßig neben einer Vollzeitbeschäftigung (Hauptbeschäftigung) eine Nebentätigkeit aus und tritt für die Hauptbeschäftigung Arbeitsunfähigkeit ein, so ist das in der Nebentätigkeit weiterhin erzielte Arbeitsentgelt jedenfalls dann nicht im Rahmen der Ruhensvorschrift des § 189 RVO zu berücksichtigen wenn die Nebentätigkeit umfangmäßig – nach Zeit und Entgelt – praktisch unverändert fortgesetzt wird.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2, §§ 183, 189
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.09.1979; Aktenzeichen S 9/Kr - 78/78) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. September 1979 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. März 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 1978 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte von der Klägerin Krankengeld in Höhe von 9.236,80 DM wegen gleichzeitigen Bezugs von Arbeitsentgelt zurückfordern kann.
Die 1917 geborene Klägerin war seit Juli 1950 bei der beklagten Ersatzkasse mit Anspruch auf höheres Krankengeld in der Klasse 520 versichert, die für Angestellte vorgesehen ist, deren Arbeitsentgelt die Jahresarbeitsverdienstgrenze (JAV) in der Krankenversicherung übersteigt. Sie war als kaufmännische Angestellte beschäftigt, u.a. vom 1. April 1973 bis 31. Mai 1974 bei der Firma L. M. und Söhne GmbH mit einem monatlichen Gehalt von 1.950,– DM brutto und vom 1. Juni 1974 bis 30. September 1974 bei der Firma G. E. mit einem Monatsentgelt zwischen 2.126,– DM und 2.500,– DM brutto. Vom 25. März 1974 bis 31. Mai 1974 war die Klägerin wegen eines Tumors im 3. Finger der linken Hand und ab 17. September 1974 wegen eines Myocardschadens, eines Tumors und Knochenprozesses im linken Oberschenkel, Venenstauung im linken Bein, Hochdruck und psycho-vegetativer Erschöpfung arbeitsunfähig krankgeschrieben. Sie bezog von der Beklagten jeweils nach Wegfall der Lohnfortzahlung durch die genannten Arbeitgeber Krankengeld in Höhe eines in den Versicherungsbedingungen (VB) bestimmten Prozentsatzes des Höchstgrundlohns (§ 180 Abs. 1 Reichsversicherung Ordnung – RVO), und zwar für die Zeit vom 6. Mai bis 31. Mai 1974 in Höhe von 1.456,– DM und vom 1. Oktober 1974 bis 3. Juni 1975 und 24. Juli 1975 bis 16. März 1976 in Höhe von 7.780,80 DM, insgesamt 9.236,80 DM. Vom 4. Juni bis 23. Juli 1975 erhielt sie zu Lasten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Übergangsgeld. Diese bewilligte ihr durch Bescheid vom 3. August 1976 ab 1. Dezember 1975 aufgrund des auf Veranlassung der Beklagten gestellten Antrags Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der für die Zeit vom 1. Dezember 1975 bis 16. März 1976 in Höhe von 956,80 DM monatlich zuerkannte Rentenbetrag wurde gem. § 183 RVO an die Beklagte ausgezahlt.
Seit 1. März 1972 bis 30. Juni 1977 war die Klägerin daneben als Personalsachbearbeiterin für die Firma G. F. in F. mit einer schwankenden Vergütung zwischen 613,– DM und 1.168,– DM brutto im Monat tätig. Bis Oktober 1975 wurden von der Firma Lohnsteuer und Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt. Aufgrund einer im Juni 1977 durchgeführten Betriebsprüfung stellte die beigeladene Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) F. gegenüber der Firma F. die Versicherungspflicht der Klägerin gem. § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO ab Beendigung der Hauptbeschäftigung bei der Firma G. E. – 1. Oktober 1974 – fest und forderte Beiträge zur Krankenversicherung und Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 5.209,04 DM nach. Klage dagegen wurde nicht erhoben.
Durch Bescheid vom 27. Dezember 1977 verlangte die Beklagte von der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar 1973 bis 16. März 1976 Krankengeld in Höhe von insgesamt 13.141,74 DM wegen des gleichzeitigen Bezugs von Arbeitsentgelt aus der Tätigkeit für die Firma F. zurück. Auf den Widerspruch der Klägerin beschränkte sie durch Änderungsbescheid vom 28. März 1978 die Rückforderung auf die Zeit vom 6. Mai bis 31. Mai 1974, 1. Oktober 1974 bis 3. Juni 1975 und 24. Juli 1975 bis 16. März 1976 und der Höhe nach auf insgesamt 9.236,80 DM. Im übrigen wies sie den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 1978 als unbegründet zurück, weil die Klägerin bei der Firma F. in einem Versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestan...