Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. freiwillig Versicherter. Beitragsbemessung. gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Verbot des vertikalen Verlustausgleichs zwischen verschiedenen Einkunftsarten/vertikales Saldierungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Bei einem freiwillig versicherten Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind bei der Beitragsbemessung positive Einkünfte auf Kapitalvermögen nicht mit Verlusten aus Vermietung und Verpachtung zu saldieren (Verbot des vertikalen Verlustausgleichs zwischen verschiedenen Einkunftsarten).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. November 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Klägerin für ihre Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlenden Beiträge.
Die 1929 geborene Klägerin bezieht seit dem 1. März 1994 von der Deutschen Rentenversicherung Regelaltersrente. Als nicht versicherungspflichtige Rentnerin ist sie seitdem bei der Beklagten freiwillig krankenversichert.
Am 16. Juli 2000 legte die Klägerin eine Einkommenserklärung vor, in der sie für das Jahr 1999 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 257,60 DM monatlich sowie Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 25.768,00 DM mitteilte. Bezüglich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verwies sie auf ein Negativeinkommen in Höhe von 6.374,00 DM.
Mit Bescheid vom 17. August 2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, für sie sei (wie bisher) die Beitragsklasse 901 mit einem monatlichen Beitrag in Höhe von 321,00 DM zur Krankenversicherung und 41,66 DM zur Pflegeversicherung maßgeblich. Eine Saldierung verschiedener Einkunftsarten sei nicht möglich, weshalb negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung positive Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht ausgleichen könnten.
Die Klägerin erhob am 8. September 2000 Widerspruch und wandte sich u.a. gegen die abgelehnte Saldierung der positiven Einkünfte aus Kapitalvermögen mit den negativen Einkünften aus Vermietung. In der Folge legte sie am 9. Januar 2001 den Steuerbescheid des Finanzamts M. für das Jahr 1999 vor. Hierin waren der Klägerin Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 46.676,00 DM zugerechnet worden. Hierauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 28. März 2001 mit, dass sie ab dem 1. April 2001 in der Beitragsklasse 981 geführt werde (monatlicher Krankenversicherungsbeitrag 531,00 DM plus Pflegeversicherungsbeitrag 68,86 DM). Anschließend wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2001 den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei entsprechend ihren Einkünften in die zutreffenden Beitragsklassen eingestuft worden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine Saldierung von positiven Einkünften mit negativen Einkünften aus anderen Einkunftsarten nicht möglich.
Die Klägerin hat am 11. Juli 2001 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben. Sie hat vorgetragen, die Verluste aus Vermietung seien durch größere Reparaturaufwendungen - insbesondere am Dach - an dem von ihr vermieteten Objekt B. in M. entstanden. Die Finanzierung dieser Kosten sei zum Teil durch die Mieterträge und zum Teil durch Verwendung der Erträge aus dem Kapitalvermögen erfolgt. Solche tatsächlich entstandenen Kosten müssten bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden, weil dadurch ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigt worden sei.
Mit Urteil vom 18. November 2003 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 17. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2001 geändert und die Beklagte verurteilt, die Klägerin für die Zeit ab dem 1. Juli 2000 unter Berücksichtigung der Verluste aus Vermietung in die entsprechende niedrigere Beitragsklasse einzustufen. Nach § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) werde die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Satzung der Krankenkasse geregelt, wobei sicherzustellen sei, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Aus dem Wortlaut der Vorschrift folge, dass der von der Klägerin begehrte Verlustausgleich zuzulassen sei, weil ihre Leistungsfähigkeit nicht nur von positiven Einkünften, sondern auch von etwaigen Verlusten abhänge. Zwar habe das BSG die beitragsmindernde Berücksichtigung von Verlusten aus selbstständiger Erwerbstätigkeit gegenüber den anderen beitragspflichtigen Einnahmen (Versorgungsbezüge und Einkünfte aus Kapitalvermögen) abgelehnt. Dabei habe das BSG jedoch im Wesentlichen darauf abgestellt, das vom Gesetzgeber keine Besserstellung des freiwillig Versicherten gegenüber dem versicherungspflichtigen Mitglied gewollt gewesen sei. Denn auch bei einem versicherungspflichtigen Krankenkassenmitglied könnten Einkünfte aus Arbei...