Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumung der Berufungsfrist. keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei nicht sicherer Lesbarkeit des Zustellungsvermerks und fehlender Rückfrage beim Sozialgericht
Orientierungssatz
Ein Verfahrensbeteiligter ist nicht ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, wenn er sich bei einer nicht sicheren Lesbarkeit des Zustellungsvermerkes nicht durch Rückfrage beim Sozialgericht versichert, welches das richtige Datum ist. Keinesfalls darf er sich darauf verlassen, dass das von ihm vermutete Datum schon das richtige sein werde.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. Januar 2012 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger richtet sich mit seiner Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. Januar 2012. Streitig war die Berechtigung der Beklagten, Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung vom Kläger zurückzufordern. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger laut Zustellungsurkunde am 20. Januar 2012 zugestellt worden.
Am 21. Februar 2012 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid per Fax Berufung eingelegt. Auf den Hinweis des Gerichts, dass die Berufung verspätet eingelegt worden sei, hat der Kläger am 17. März 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat zur Begründung seines Antrags geltend gemacht, wegen seines Gesundheitszustandes sei er im Januar und Februar 2012 nicht regelmäßig in seiner Kanzlei gewesen. Aufgrund einer Erkrankung und ihrer Auswirkungen sowie verschiedener Untersuchungstermine sei es ihm nicht möglich gewesen, vor der Operation regelmäßig seine Kanzlei aufzusuchen. Am 19. Januar 2012 habe er nochmals die Kanzlei aufgesucht, eine Prüfung auf etwaig laufende Fristen vorgenommen und die Aufhebung eines auswärtigen Termins beantragt. Die folgenden Tage habe er zu Hause verbracht und im Wesentlichen Bettruhe eingehalten. Er sei dann wieder am 27. Januar 2012 in der Kanzlei gewesen und habe bei dieser Gelegenheit den zugestellten Gerichtsbescheid vorgefunden. Auch an den folgenden Tagen bis zur Krankenhausaufnahme am 8. Februar 2012 habe er die dringenden ärztlichen Ratschläge weiter umgesetzt. Die Aufnahme ins Krankenhaus sei ab 8. Februar 2012 erfolgt. Der Krankenhausaufenthalt habe bis zum 15. Februar 2012 gedauert. Ihm sei strikte häusliche Schonung verordnet worden. Am 21. Februar 2012 seien die Fäden gezogen worden. Im Anschluss daran habe er sich erstmals nach der Operation in seine Kanzlei bringen lassen. Bei dieser Gelegenheit habe er auch die Berufungsschrift in seinem Rechtsstreit gefertigt. Er habe am 27. Januar 2012 den Zustellungsvermerk als “26.01.2012„ gelesen. Deshalb habe er das Fristende entsprechend mit 26. Februar 2012 eingetragen. Da die Null von “20„ im oberen rechten Bogen nicht durchgehend sei, könne und müsse der verbleibende rechts offene Teil als “6„ angesehen werden. In der Monatsbezeichnung von “01„ sei die Null voll ausgeführt und geschlossen, somit eindeutig. Auch die übrigen Ziffern seien nicht deutlich ausgeführt worden und genügten eigentlich nicht den Anforderungen an eine mit Sorgfalt gefertigte Zustellungsurkunde. Der Kläger hat eine Kopie des Zustellungsbriefumschlags vorgelegt, außerdem ein an ihn gerichtetes Schreiben der DAK, Hamburg vom 28. Januar 2010 mit Anlagen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), ihm hinsichtlich der Versäumnis der Berufungsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. Januar 2012 sowie den Bescheid vom 19. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Nach Auffassung der Beklagten hat der Kläger nicht ohne Verschulden die Berufungsfrist versäumt. Der Kläger habe unstreitig am 27. Januar 2012 Kenntnis von dem Gerichtsbescheid erhalten. Es sei ihm trotz seiner Erkrankung möglich gewesen, einen anderen Anwalt vor Ablauf der Frist mit seiner Vertretung zu beauftragen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreites am 26. Juni 2012 war der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Er hatte mit Schriftsatz vom 22. Juni 2012, eingegangen bei Gericht per Fax am Freitag, den 22. Juni 2012, 20.38 Uhr, die Vertagung des Rechtsstreites beantragt, da es ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, einen Gerichtstermin bereits um 9.30 Uhr wahrzunehmen.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegen hat und Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte den Rechtsstreit verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, denn der Kläger war mit der ordnungsgemäß erfolgten Ladung auf di...