Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Ärztlicher Bereitschaftsdienst in Hessen. keine Ermächtigung zur Normierung eines Beitrages zu Lasten von Privatärzten. abschließende Regelung durch das SGB 5. Erforderlichkeit einer bundesrechtlichen Öffnungsklausel für die verpflichtende Einbeziehung von Privatärzten
Leitsatz (amtlich)
1. Weder §§ 23, 24 des Hessischen Heilberufsgesetzes (juris: HeilBerG HE) iVm § 26 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen (juris: ÄBerufsO HE 2019) noch § 75 Abs 1b SGB V ermächtigen die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) zur Normierung eines Beitrages zu Lasten von Privatärzten im Rahmen einer verpflichtenden Teilnahme von Privatärzten am Bereitschaftsdienst der KVH.
2. Das SGB V regelt Aufgaben und Befugnisse der Kassenärztlichen Vereinigungen mit Ausnahme des von Art 4 § 1 Abs 2 des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR) (juris: KARG) vom 17.8.1955 (BGBl I 1955, 513) erfassten Bereichs abschließend. Für die verpflichtende Einbeziehung von Privatärzten in einen allein von der Kassenärztlichen Vereinigung durch eine Bereitschaftsdienstordnung geregelten Bereitschaftsdienst im Wege einer landesrechtlichen Delegation oä bedürfte es einer bundesrechtlichen Öffnungsklausel.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 28. Januar 2022 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung zur Kostenbeteiligung am Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) in den Quartalen III/19 und IV/19 sowie I/20 bis IV/20 aufgrund ausschließlich privatärztlicher Tätigkeit.
Die Klägerin ist als Privatärztin mit Praxis in A-Stadt niedergelassen.
Mit Schreiben vom 20. März 2019 (gemeinsam mit der Landesärztekammer Hessen) und vom 15. Mai 2019 versandte die Beklagte ein an alle Privatärzte gerichtetes Rundschreiben über die Einbeziehung der Privatärzte in den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (kurz: ÄBD). In den Schreiben teilte die Beklagte mit, dass eine Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD ab dem 1. Juli 2019 geplant sei. Sie informierte über das Procedere zur Teilnahme und machte Ausführungen zu den bestehenden Teilnahmevoraussetzungen und die beizubringenden Nachweise und informierte über Befreiungsgründe. Weiter stellte sie die finanziellen Rahmenbedingungen dar und verwies auf zukünftig jährlich ergehende Beitragsbescheide.
Am 18. September 2019 erließ die Beklagte einen an die Klägerin adressierten Bescheid über die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beitrages für die Quartale III/2019 und IV/2019 (Bl. 8 f. d. Verwaltungsakte - VA). Nach § 23 Heilberufsgesetz (HeilbG) seien in eigener Praxis niedergelassene Privatärzte verpflichtet, am ÄBD der Beklagten teilzunehmen und sich an den Kosten des ÄBD zu beteiligen. Dabei würden Privatärzte gemäß § 8 Abs. 3 Bereitschaftsdienstordnung (BDO) einen pauschalen ÄBD-Betrag zahlen, dessen Höhe sich pro Quartal auf die Hälfte des von den Vertragsärzten zu leistenden Höchstbetrages belaufe. Der Höchstbetrag für die Vertragsärzte sei vom Vorstand der Beklagten gemäß § 8 Abs. 2 BDO auf 1.500,00 € je Quartal festgelegt worden. Der Betrag für die Quartale III/2019 und IV/2019 belaufe sich für die Klägerin auf jeweils 750,00 €. Für die Quartale vor der Umsetzung der Regelung zum 1. Juli 2019 würden hingegen keine Beiträge erhoben, sodass sich der Beitrag für das Beitragsjahr 2019 auf insgesamt 1.500,00 € belaufe.
Die Klägerin legte mit Schreiben ihres ehemaligen Prozessbevollmächtigten vom 27. September 2019 Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 18. September 2019 ein und beantragte daneben, die Vollziehung des Bescheides auszusetzen. Sie trug vor, es träfe nicht zu, dass sich aus dem Heilberufsgesetz die Verpflichtung zur Teilnahme an dem von der Beklagten organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst ergäbe. Im Heilberufsgesetz sei geregelt, dass Privatärzte berufsrechtlich zum Notfalldienst verpflichtet seien. Es fände sich allerdings kein Wort davon, dass dies durch Einbeziehung in den ÄBD der Beklagten erfolge. Das gesamte Satzungsrecht, soweit es für Privatärzte in Anspruch genommen werde, sei unwirksam. Dies beträfe insbesondere § 8 Abs. 3 BDO. Selbstverständlich könne durch Satzungsrecht nicht die aufschiebende Wirkung des Widerspruches aufgehoben werden.
Am 9. März 2020 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid über die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beitrages für die Quartale I/2020 bis IV/2020 (Bl. 16 f. VA). Sie setzte einen Betrag von insgesamt 3.000,00 € für das Beitragsjahr 2020 fest.
Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin durch eigenes Schreiben vom 12. März 2020 (Bl. 18 VA) und durch Schreiben ihres ehemaligen Prozessbevollmächtigten vom 23. März 2020 Widerspruch und beantragte daneben, die Vollziehung des Besc...