Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Darmstadt vom 27.7.2022 - L 4 KA 16/22, welches vollständig dokumentiert ist.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 8. Juni 2020 aufgehoben.
II. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2019 wird insoweit aufgehoben als darin eine Verpflichtung des Klägers zur Kostenbeteiligung am Ärztlichen Bereitschaftsdienst festgestellt wird.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens unter Einschluss der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die kostenmäßige Heranziehung des Klägers zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD).
Der 1947 geborene und ausschließlich privatärztlich tätige Kläger wurde auf seinen Antrag mit Bescheid vom 22. Mai 2019 gemäß § 3 Abs. 7b) Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (BDO) aus Altersgründen ab dem 1. Juli 2019 von der Teilnahme am ÄBD befreit. Die Beklagte teilte dem Kläger im Rahmen des Bescheides mit, dass unabhängig von dieser Befreiung eine Kostenbeteiligung am ÄBD bestehen bleibe. Den von dem Kläger wegen der Kostenbeteiligung am ÄBD hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2019 als unbegründet zurück. Mit Bescheid vom 18. September 2019 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beitrages (Quartale 3/2019 und 4/2019) auf jeweils 750,00 € fest, wogegen der Kläger unter dem 20. September 2019 Widerspruch erhob. Gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 9. März 2020 für das Jahr 2020 erhob der Kläger unter dem 18. März 2020 Widerspruch.
Am 21. August 2019 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Marburg gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2019 Klage erhoben. Da er vom ÄBD befreit sei, sei er auch nicht an dessen Kosten zu beteiligen. § 24 des Hessischen Heilberufsgesetzes (HeilbG) sehe gerade eine Kostenpflicht nicht vor, sondern regle lediglich die Teilnahmeverpflichtung und Ausnahmen hiervon. § 23 Nr. 2 des HeilbG regle zudem die Kostenbeteiligung von Berufsangehörigen i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, die am ÄBD teilnähmen, aber nicht derjenigen, die vom ÄBD befreit seien. Auch § 26 Abs. 2 Satz 1 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen bestimme zwar, dass für die Einrichtung und Durchführung des ÄBD im Einzelnen für alle nach § 23 des HeilbG verpflichteten Berufsangehörigen die BDO maßgebend sei. § 8 Abs. 3 BDO sehe insoweit jedoch eine Kostenbeteiligung der Privatärzte nur für diejenigen vor, die an dem ÄBD teilnähmen und nicht für diejenigen, die hiervon befreit seien. Zudem sei eine Erhebung von Kosten i.H.v. 750,00 € nicht rechtens. Die Finanzierung des ÄBD erfolge grundsätzlich auf Basis eines Abzuges von den im ÄBD erbrachten Leistungen (Betriebskostenabzug). Erst wenn diese Finanzierung nicht ausreiche, werde zusätzlich ein pauschaler Betrag erhoben. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass nach den bisherigen Erfahrungen davon ausgegangen werden könne, dass die Finanzierung auf Basis eines Abzugs von den ÄBD erbrachten Leistungen (Betriebskostenabzug) nicht ausreiche und dies der Regelfall sein werde. Mit der Festlegung einer Pauschale, die sich auf die Hälfte des für die niedergelassenen Ärzte je Arzt und Quartal festgelegten Höchstbeitragssatzes beziehe, welcher vom Vorstand festgelegt werde, sei diese jeglicher Überprüfungsmöglichkeit entzogen. Im Rahmen des Bescheides vom 22. Mai 2019 werde zudem nicht lediglich der Gesetzeswortlaut des HeilbG wiederholt, da eindeutig festgestellt werde, dass die Kostenbeteiligung trotz der Befreiung von der Teilnahme am ÄBD bestehen bleibe. An der Verwaltungsaktsqualität der Entscheidung könne kein Zweifel bestehen. Sie enthalte auch zudem eine Rechtsmittelbelehrung. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass eine Heranziehung des Klägers zu den Kosten des ÄBD rechtens sei, festgehalten. Es bestünden vorliegend zudem Zweifel an der Zulässigkeit des Widerspruchs des Klägers gegen den Bescheid vom 22. Mai 2019, da dieser keine festlegende Regelung im Einzelfall zur Kostenbeteiligung am ÄBD enthalte. Dieser gebe nur den Gesetzeswortlaut des HeilbG wieder, habe damit lediglich Informationsgehalt und betreffe im Übrigen die Teilnahmepflicht am ÄBD. Der Widerspruchsausschuss möge vielleicht durch die Zurückweisung des Widerspruchs des Klägers als „unbegründet“ einen falschen Anschein erweckt haben. Soweit er fehlerhaft einen Verwaltungsakt angenommen und eine Sachentscheidung getroffen habe, habe er seine Entscheidungskompetenz überschritten. Über die Höhe der Kostenbeteiligung sei in diesem Bescheid kein...