Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Beschäftigung eines Familienangehörigen. Ehegatte. familienhafte Mithilfe. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Abgrenzung. Rechtsmacht. Firmeninhaber
Leitsatz (amtlich)
1. Eine abhängige Beschäftigung in einer Einzelfirma eines nahen Familienangehörigen liegt auch dann vor, wenn nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles der als Arbeitnehmer geführte (leitende) Angestellte oder Fremdgeschäftsführer auf Grund seiner Stellung in der Familie faktisch vollkommen freie Hand in der Führung der Geschicke des Unternehmens hat und wie ein Alleininhaber "frei Schalten und Walten kann".
2. Maßgeblich ist allein die Rechtsmacht des Firmeninhabers. Im Konfliktfall, zB wenn es zu einer familiären Trennung kommt und die familiären Rücksichtnahmen ein Ende haben, kann von den vertraglich niedergelegten Befugnissen jederzeit wieder Gebrauch gemacht werden, so etwa auch von einem Weisungs- und Kündigungsrecht. Es ist daher konsequent und im Hinblick auf größtmögliche Rechtssicherheit geboten, eine von Anfang an latent vorhandene Rechtsmacht auch dann für eine abhängige Beschäftigung ausschlaggebend sein zu lassen, wenn von ihr konkret (noch) kein Gebrauch gemacht worden ist.
Tenor
Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Oktober 2009 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Betrieb ihres Ehemannes, dem Beigeladenen zu 2., in der Zeit vom 01.02.1993 bis zum 30.10.2006 abhängig beschäftigt war und damit der Sozialversicherungspflicht unterlag.
Die 1955 geborene Klägerin hat den Beruf der Apothekenhelferin erlernt. Sie hatte 1996 geheiratet mit dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Sie ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Ihr zum Gerichtsverfahren beigeladener Ehemann betreibt ein Taxi- und Busunternehmen, als dessen Einzelinhaber er firmiert.
Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum in dieser Firma tätig und vorrangig mit Bürotätigkeiten betraut. Sie erhielt für ihre Tätigkeit ein monatliches Entgelt von brutto 550,00 €, das regelmäßig auf ein privates Konto überwiesen wurde, für das Lohnsteuer entrichtet wurde und das als Betriebsausgabe gebucht wurde. Entsprechende monatliche Gehaltsabrechnungen wurden unter der Firma des Ehemannes erstellt. Die Firmenbuchhaltung und die Fertigung der Steuererklärungen oblagen einer Steuerberaterkanzlei. Die Eheleute sind gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt worden. Die Einkommenssteuerbescheide für 1999 und die Folgejahre weisen für den Ehemann Einkünfte aus Gewerbebetrieb und für die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus. Daneben machte sie steuerlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer Halle und Abstellfläche geltend, die der Firma ihres Mannes zur Nutzung überlassen wurden. Auf dem Betriebsgelände befindet sich im selben Gebäude wie die Wohnung der Eheleute auch das Geschäftsbüro. In der Wohnung steht ein Funkgerät zur Kommunikation mit den Taxifahrern und ein Telefon, mit dem Anrufe an die Firmenanrufe entgegen genommen werden können. Die Klägerin fungiert zugunsten des Unternehmens als Bürgin in Höhe von 407.000,00 DM und hat ein Darlehen in Höhe von 93.000,00 € gestellt.
Vom 1.2.1993 bis zum 30.10.2006 war die Klägerin zur Sozialversicherung als Arbeitnehmerin der Firma ihres Ehemannes angemeldet. Zum 01.11.2006 erfolgte ihre Abmeldung.
Mit Schreiben vom 18.12.2005 beantragte die Klägerin unter Berufung auf die Vermögensanlagefirma XY. (gemeint ist XY. AG, Institut zur Regulierung der Sozialversicherung mit Gesellschaftssitz in RB. und Repräsentanz in GN.; diese Gesellschaft wirbt damit, dass sie im Falle einer möglichen Ausgliederung aus der gesetzlichen Sozialversicherung spezifische Versorgungsanalysen erstelle und für den Schutz durch eine lückenlose wirtschaftliche Absicherung sorge, so z.B. in ihrem Internetauftritt mit der URL http.//www.xxxxxxxxxx) bei der Beklagten die Überprüfung ihrer Sozialversicherungspflicht. Für den Fall, dass die Prüfung eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht ergebe, werde sie die geleisteten Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zurückfordern. In dem von der Klägerin und ihrem Ehemann unterzeichneten Feststellungsbogen zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen finden sich die Angaben, die Klägerin sei in der Firma ihres Ehemannes als Bürokraft und Taxifahrerin tätig. Der zeitliche Umfang ihrer Tätigkeit betrage bei 6-7 Wochenarbeitstagen 50 bis 60 Stunden je Woche. Weisungen unterliege sie nicht. Sie könne ihre Tätigkeit frei bestimmen. Der von der Klägerin eingeschaltete Steuerberater und Rechtsanwalt NW. führte sodann in seinem an die Beklagte gerichteten Schriftsatz vom 2...