Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegeunfall. Unterbrechung des Heimweges. Straßenkreuzung. Rechtsabbiegerspur
Leitsatz (amtlich)
Verunglückt ein Versicherter nach einer Unterbrechung des Heimweges auf einer Straßenkreuzung, so steht er wieder unter Versicherungsschutz, wenn er sie auch auf seinem üblichen Heimweg befahren muß, selbst wenn dieser über eine Rechtsabbiegerspur führt.
Im übrigen endet die Unterbrechung des Heimweges auch dann, wenn die Entfernung von der Unfallstelle bis zu dieser Rechtsabbiegerspur die Breite der für den üblichen Heimweg benutzten Straße nicht übersteigt.
Normenkette
RVO § 550 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Gießen (Urteil vom 14.02.1978; Aktenzeichen S-3 a/U-97/76) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. Februar 1978 wird zurückgewiesen.
Der Urteilsausspruch wird dahin berichtigt, daß der Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 1976 aufgehoben wird.
Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind die im Jahre 1970 und 1973 geborenen Kinder der 1974 geschiedenen Eheleute B. und R. E. Sie wohnen bei ihrer Mutter, der gemäß Beschluß des Amtsgerichtes Herborn vom 28. Oktober 1974 (1 X 257/74) die elterliche Gewalt übertragen ist. Mit der Beklagten streiten sie um die Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung nach ihrem Vater B. E. (E.).
Der im Jahre 1945 geborene E. erlitt der förmlichen Unfallanzeige seines Arbeitgebers, der Firma M. Werke AG, W., vom 5. November 1975 zufolge am 4. November 1975 gegen 23.55 Uhr bei einem Verkehrsunfall tödliche Verletzungen. Nach den von der Beklagten beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Limburg (6 Js 1413/75) war E. in W. aus der S.straße kommend auf der Kreuzung K. E. Straße/S.straße von dem ihm aus dem K. entgegenkommenden Pkw-Fahrer D. (D.) angefahren worden, als er mit seinem Kleinkraftrad (Moped) der Marke Herkules nach links einbog, ohne diesen vorher vorbeifahren zu lassen. Die von E. und D. entnommenen Blutproben ergaben bei der Blutalkoholbestimmung durch Prof. Dr. S. (Universität G.) eine Blutalkoholkonzentration – BAK – von 0,52 ‰ bzw. nur einen physiologischen Wert. Das gegen D. eingeleitete Strafverfahren stellte die Staatsanwaltschaft am 12. Januar 1976 ein, da diesem kein fahrlässiges Verhalten nachgewiesen werden könne. Von der Firma H. erhielt die Beklagte die Auskünfte, daß der direkte Weg des E. von der Arbeitsstätte in der G.straße zur Wohnung über den K. und die E. Straße zur B. Straße … geführt habe. Die Arbeitsschicht habe am Unfalltag um 14.00 h begonnen und sei um 22.25 h beendet gewesen. Auf der Stempelkarte sei zuletzt 22.40 h eingetragen. Mit Bescheid vom 17. Mai 1976 lehnte die Beklagte die Gewährung der Unfallentschädigung ab, da sich E. zur Unfallzeit auf einem unversicherten Abweg befunden habe. Nach ihren Feststellungen habe er seinen etwa 1 1/2 km langen üblichen Heimweg zur Wohnung in der B. Straße … an der Kreuzung K./E. Straße/S.straße zunächst unterbrochen. Anstatt vom K. nach rechts unter Benutzung einer besonderen, negativ beschilderten Rechtsabbiegerspur in die E. Straße einzubiegen, sei er geradeaus auf der S.straße in Richtung N. weitergefahren und habe die Gaststätte „Z.” zur Einnahme einer Mahlzeit aufgesucht. Auf dem Rückweg von dort sei er dann als Linksabbieger noch vor Erreichen der Einmündung der Rechtsabbiegerspur in die E. Straße auf der Kreuzung verunglückt. Da er sich auf dem Weg von einer Gaststätte nach Hause befunden habe, habe kein betrieblicher Zusammenhang bestanden. Der übliche Heimweg sei noch nicht erreicht gewesen. Im übrigen bestünde auch kein zeitlicher Zusammenhang mehr, da die Unterbrechung von rd. 35 Minuten in keinem angemessenen Verhältnis zur Fahrzeit für die Zurücklegung des sonst üblichen Heimweges gestanden habe.
Gegen diesen an sie am 17. Mai 1976 abgesandten Bescheid haben die Kläger bei dem Sozialgericht Gießen – SG – am 31. Mai 1976 Klage erhoben und im wesentlichen geltend gemacht, daß ihr Vater E. zur Unfallzeit bereits wieder im Bereich des sonst üblichen Heimweges angelangt gewesen sei. Er habe seinerzeit von der geschiedenen Ehefrau getrennt gelebt und in einer Gaststätte zu Abend essen müssen. Die Unterbrechung des Heimweges sei zeitlich nur kurz gewesen.
Das SG zog die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Limburg in dem gegen D. gerichteten Strafverfahrens bei und holte verschiedene Auskünfte von dem Amt für öffentliche Ordnung in W. sowie der Firma H. ein. Auf sie wird verwiesen. Sodann verurteilte es die Beklagte am 14. Februar 1978, den Klägern die Waisenrente in gesetzlichem Umfange zu gewähren. Zur Begründung führte es u.a. aus, daß sich der Unfall im Abbiegungsbereich K./E. Straße und damit auf dem üblichen Heimweg des E. ereignet habe. Diesen treffe am Unfall im übrigen auch kein Verschulden. Die festgestellte BAK se...