Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen Aufnahme einer Beschäftigung
Orientierungssatz
1. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld kann mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden, wenn der Empfänger seine Mitteilungspflicht im Hinblick auf eine aufgenommene Tätigkeit wenigstens grob fahrlässig verletzt hat.
2. Arbeitslos ist nicht, wer eine über der Grenze des § 118 Abs. 2 S. 1 SGB 3 liegende Beschäftigung ausübt. Wird diese Grenze überschritten, kommt es auf die Dauer der Beschäftigung nicht an.
3. Das Rechtsinstitut des missglückten Arbeitsversuchs ist seit dem Inkrafttreten des SGB 5 - 1. 1. 1989 - nicht mehr anwendbar.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 9. Oktober 2003 und der Bescheid vom 8. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2003 aufgehoben, soweit der Zeitraum ab 4. September 2002 betroffen ist. Im Übrigen, soweit der 2. und 3. September 2002 betroffen ist, wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin fünf Sechstel ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 2. September 2002 bis zum 11. November 2002.
Die Klägerin meldete sich am 16. Mai 2002 arbeitslos und beantragte Alg (BA Blatt 103). Die Arbeitslosigkeit war eingetreten, da die Firma “J.„ in M. (BA Blatt 130) ihren Betrieb einstellte und ihr betriebsbedingt kündigte. Mit Bescheid vom 15. Juli 2002 bewilligte die Beklagte ab dem 16. Mai 2002 Alg (BA Bl. 134). Durch eine Überschneidungsmitteilung (BA Bl. 136) des Leistungsbezugs vom 25. Oktober 2002 erfuhr die Beklagte erstmalig - so ihre Darstellung - von der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Firma O. mbH, die am 2. September 2002 begonnen hatte und am 3. September 2002 endete.
Daraufhin hob die Beklagte das am 15. Juli 2002 bewilligte Alg ab dem 2. September 2002 mit Bescheid vom 8. November 2002 (GA Bl. 102) auf.
Die Klägerin meldete sich am 12. November 2002 erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Gegen den Bescheid vom 8. November 2002 legte sie zur Niederschrift bei der Beklagten am 13. November 2002 Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass sie sich die Arbeitsstelle selbst besorgt habe und aus gesundheitlichen Gründen die Arbeit nicht mehr habe ausführen können. Es sei weder ein Entgelt seitens des Arbeitgebers noch ein Arbeitsvertrag beiderseits unterschrieben worden (BA Blatt 143). In der durch die Beklagte angeforderten Arbeitsbescheinigung bestätigte die Firma O. mbH unter Ziffer 2.b, dass Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und Krankenkasse abgeführt worden seien. Unter Ziffer 4.a bestätigte die Firma die Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 3. September 2002 durch schriftliche Kündigung (BA Blatt 145 bis 147). Laut Aktenvermerk vom 20. November 2002 teilte die Firma O. mbH auf Nachfrage der Beklagten mit, dass die Klägerin beim Arbeitgeber mündlich gekündigt habe (BA Blatt 148).
Auf dem Fragebogen der Beklagten gab die Klägerin am 25. November 2002 an, dass beim Packen der Ware eine ausgetretene Flüssigkeit eine allergische Hautreaktion bei ihr während des Arbeitens bei der Firma O. mbH erzeugt habe. Am 26. November 2002 bestätigte der Hausarzt der Klägerin, Dr. M., eine allergische Dermatitis auf Seife und Laugenlösung. Aufgrund telefonischer Nachfrage der Beklagten am 18. Dezember 2002 teilte Dr. M. mit, dass die Klägerin im September nicht bei ihm in Behandlung gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch vom 13. November 2002 gegen den Bescheid vom 8. November 2002 zurück. Sie stützte sich darauf, dass die Klägerin ab dem 2. September 2002 in einem mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Sie sei somit ab dem 2. September 2002 bis zum 3. September 2002 nicht arbeitslos im Sinne der §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) gewesen. Sie habe keinen Leistungsanspruch gehabt. Ein weiterer Anspruch auf Arbeitslosengeld setze nach § 117 Abs. 1 SGB III neben der Arbeitslosigkeit eine erneute persönliche Arbeitslosmeldung voraus. Durch die Arbeitsaufnahme, die die Klägerin entgegen ihrer Verpflichtung nicht mitgeteilt habe, sei die Wirkung der früheren Arbeitslosmeldung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III erloschen. Da die Klägerin erst wieder am 12. November 2002 persönlich beim Arbeitsamt vorgesprochen habe, komme frühestens ab diesem Zeitpunkt eine Weitergewährung des Arbeitslosengeldes in Betracht. Über den möglichen Eintritt einer Sperrzeit und den Beginn der Leistungsgewährung sowie über die Erstattung der ab dem 2. September 2002 zu Unrecht gewährten Leistungen würde nach Abschluss der Ermittlungen endgültig entschieden. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass sie eine Arbeitsaufnahme habe unv...