Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Arzneimittel. Gewährung des Herstellerrabatts. Abstellen auf die konkrete Abgabeform. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Aus Wortlaut und Systematik des § 1 Abs 3 AMPreisV iVm § 47 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AMG (juris: AMG 1976) sowie § 78 Abs 1 S 1 Nr 1 AMG ergibt sich, dass das Arzneimittel Berinert P nur dann dem Preisregime des § 78 AMG und den in der AMPreisV vorgenommenen Konkretisierungen nicht unterliegt, wenn ein nach § 47 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AMG zulässiger Direktvertrieb an Krankenhäuser und Ärzte tatsächlich erfolgte. Nur in diesen Fällen gibt es keinen einheitlichen Herstellerabgabepreis, den wiederum die Rabattvorschrift des § 130a Abs 1 S 1 SGB 5 voraussetzt.

2. Darin liegt keine Verletzung der Grundrechte der Apotheker bzw der pharmazeutischen Unternehmen aus Art 3 und Art 12 GG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.10.2009; Aktenzeichen B 1 KR 7/09 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

II. Der Gegenstandswert wird auf 30.217,60 Euro festgesetzt.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von 30.217,60 Euro mit Zinsen als Restforderung aus der Abgabe des Arzneimittels Berinert ® P an bei der Beklagten krankenversicherte Patienten und macht insoweit geltend, auf diese Arzneimittelabgaben sei von ihm kein Herstellerabschlag nach § 130a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) an die verklagte Krankenkasse abzuführen. Bei dem Arzneimittel Berinert ® P handelt es sich um einen aus menschlichem Plasma gewonnenen Plasmaglycoprotein C1 Esterase-Inhibitor, der intravenös injiziert oder infundiert zur Behandlung des erblichen Angio-ödems eingesetzt wird. Berinert ® P wird von dem pharmazeutischem Unternehmen X-GmbH produziert. Die Abgabe des Medikaments durch die Apotheke des Klägers erfolgte auf vertragsärztliche Verordnungen an bei der Beklagten krankenversicherte Patienten. Hierbei führte der Kläger keinen Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1 SGB V an die Beklagte ab. Dieser durch das Beitragssicherungsgesetz (BSSichG vom 23.12.2002, BGBl. I 4637) zur finanziellen Entlastung der Krankenkassen eingeführte Rabatt wird nicht unmittelbar von den Herstellern an die Krankenkassen gezahlt. Vielmehr erhalten die Krankenkassen den Rabatt dadurch, dass sie die Rechnungen der Apotheken um den Herstellerrabatt kürzen. Die Apotheken wiederum können Erstattung der ihnen gekürzten Beträge von den Arzneimittelherstellern verlangen.

Die Beklagte stellte dem Kläger die entsprechenden Differenzbeträge (Herstellerrabatt für die Monate Januar bis August 2004) im Rahmen der Retaxierung (Rechnungsberichtigung) in Rechnung (Schreiben vom 20. Oktober 2004, 12. November 2004, 21. Dezember 2004, 17. Februar 2005 und 10. März 2005), wogegen der Kläger jeweils Einspruch mit der Begründung einlegte, das Präparat Berinert ® P sei von der Gewährung des Herstellerrabattes ausgenommen. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 22. März 2005 mit, dass seinen Einsprüchen/Widersprüchen nicht stattgegeben werden könne. Für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht der Festbetragsregelung unterlägen, seien 16% Herstellerrabatt zu gewähren, die von den Apotheken an die Krankenkasse abzuführen seien. In den vorliegenden Fällen sei nach der verordnungsbezogenen Rabattdatenlieferung durch das Rechenzentrum des Klägers der Herstellerrabatt nicht berücksichtigt bzw. falsch berechnet worden. Die entsprechenden Differenzbeträge seien dem Kläger im Rahmen der Retaxierung in Rechnung gestellt worden. Bei Berinert ® P handele es sich um ein verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel und es erfolge eine Berechnung nach der Arzneimittelpreisverordnung.

Am 6. Mai 2005 setzte der Kläger der Beklagten eine Frist bis zum 18. Mai 2005 zur Auszahlung der mittlerweile von der Beklagten eingezogenen Beträge. Die Beklagte kam dem nicht nach. Am 3. August 2005 hat der Kläger sodann Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben mit dem Klageantrag, die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung der Retaxation für Berinert ® P in den Monaten Januar bis August 2004 an ihn 30.217,60 Euro nebst 5% Zinsen über den Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen sowie festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, von ihm für die Abgabe des streitgegenständlichen Arzneimittels einen Herstellerrabatt nach § 130a Abs. 1 SGB V zu verlangen. Zur Klagebegründung ist vorgetragen worden, der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 433 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 69 Abs. 3 SGB V. Die Beklagte erfülle seinen Zahlungsanspruch nicht, da sie zu Unrecht in der streitigen Höhe die Abführung eines Herstellerabschlages nach § 130a SGB V von ihm verlange. Die Rabattregelung des § 130a Abs. 1 SGB V knüpfe an den Herstellerabgabepreis im Sinne der §§ 2 und 3 Arzneimittelpreisver...

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